Wie konnte Jesus Sünden vergeben?
In der jüdischen Religion war die Vergebung von Sünden allein Gott vorbehalten. Vergebung ist immer etwas Persönliches; kein Dritter kann das Vergeben für die gekränkte Person übernehmen, insbesondere wenn die verletzte Person Gott ist. Bei mehreren Gelegenheiten handelte Jesus durch das Vergeben von Sündern aber so, als sei er Gott. Seine verblüffende Behauptung, er könne Sünden vergeben, wurde von keinem anderen Propheten der Vergangenheit aufgestellt. Die jüdischen Religionsführer, die beobachteten, wie Jesus die Sünden eines gelähmten Mannes vergab, waren also außer sich.
Markus beschreibt den Vorfall wie folgt: „Aber einige der anwesenden Schriftgelehrten dachten: Das ist Gotteslästerung! Nur Gott allein kann Sünden vergeben.“ (Markus 2: 6, 7)
Genau darum geht es: Was die Vergebung von Sünden betrifft, so hat kein Mensch das Recht oder die Befugnis, für Gott zu sprechen. Lewis stellt sich die Schockreaktion der Menschen vor, die Jesus hörten:
„Und dann kommt der eigentliche Schock“, schreibt Lewis. „Unter diesen Juden tritt plötzlich ein Mann hervor, der so spricht, als sei er Gott. Er behauptet, Sünden zu vergeben. Er sagt, es habe ihn schon immer gegeben. Er sagt, er würde die Welt am Ende der Zeit einem Gericht unterwerfen. Wir wollen uns das klar machen: Unter Pantheisten, z. B. den Indianern, kann eigentlich jeder sagen, er sei Teil Gottes oder eins mit Gott … aber dieser Mann war Jude und konnte daher gar nicht diese Art von Gott meinen. In ihrer Sprache bedeutete Gott das Wesen außerhalb ihrer eigenen Welt, der diese geschaffen hatte und unendlich anders als alles andere war. Und wenn man das einmal verstanden hat, erkennt man, dass das, was dieser Mann sagte, schlichtweg das Schockierendste war, das jemals über die Lippen eines Menschen gekommen ist.“[10]
Was hat Jesus unter „eins mit Gott“ verstanden?
Diejenigen, die Jesus zuhörten, seine moralische Vollkommenheit zur Kenntnis nahmen und Wunder wirken sahen, fragten sich, ob er der seit Langem verheißene Messias sei. Schließlich umringten ihn seine Gegner im Tempel und fragten ihn:
„Wie lange lässt du uns noch im Ungewissen? Wenn du Christus bist, dann sag uns das ganz offen.“
Jesus erwiderte: „All das, was ich im Auftrag meines Vaters getan habe, sollte als Beweis genügen.“ Er verglich seine Anhänger mit Schafen und sagte: „Ihnen gebe ich das ewige Leben, und sie werden niemals umkommen.“ Dann offenbarte er ihnen, dass „mein Vater […] stärker als alle anderen Mächte [ist]“ und dass er seine Taten „in Gottes Auftrag“ ausgeführt habe. Die Demut Jesu muss entwaffnend gewesen sein. Dann aber ließ er eine Bombe platzen und sagte ihnen (Johannes 10:25-30):
„Ich und der Vater sind eins.“
Manche meinen, Jesus habe damit nur zum Ausdruck bringen wollen, dass er mit Gott einig sei. Wenn Jesus aber lediglich sagen wollte, er stimme mit Gott überein, warum hoben die Juden dann Steine auf, um ihn damit zu töten? Ihr Verständnis der Behauptung Jesu, eins mit dem Vater zu sein, wurde im weiteren Verlauf des Gesprächs deutlich.
Jesus fragte sie: „In Gottes Auftrag habe ich viele gute Taten vollbracht. Für welche wollt ihr mich töten?“
Sie antworteten: „Nicht wegen einer guten Tat sollst du sterben, […] sondern weil du nicht aufhörst, Gott zu lästern. Du bist nur ein Mensch und behauptest trotzdem, Gott zu sein. (Johannes 10:33)
War Jesus das Ebenbild Gottes?
Als Jesus seine Jünger auf sein bevorstehendes Sterben am Kreuz und seinen Abschied vorbereitete, wollte Thomas wissen, wohin er gehe und wie man dahin komme. Jesus antwortete ihm:
„Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, und ich bin das Leben. Ohne mich kann niemand zum Vater kommen. Kennt ihr mich, dann kennt ihr auch meinen Vater.Von jetzt an kennt ihr ihn; ja, ihr habt ihn schon gesehen!“ (Johannes 14:5-9)
Die Jünger sind verwirrt. Dann ergreift Philippus das Wort und bittet Jesus: „[Z]eig uns den Vater.“ Jesus antwortet Philippus mit diesen schockierenden Worten:
„Ich bin nun schon so lange bei euch, und du kennst mich noch immer nicht, Philippus?Wer mich gesehen hat, der hat auch den Vater gesehen!“
Eigentlich sagt Jesus also: „Philippus, wenn du den Vater sehen willst, dann must du nur mich ansehen!“ In Johannes 17 offenbart Jesus, dass sein Eins-Sein mit seinem Vater schon seit aller Ewigkeit besteht, „bevor die Welt erschaffen wurde“. Jesus zufolge hat es nie eine Zeit gegeben, während der er nicht an Gottes Herrlichkeit und Wesen teilnahm.
Es waren nicht nur die Feinde Jesu, die angesichts dieser kühnen Aussage perplex waren. John Piper schreibt:
„Die Freunde und Feinde Jesu waren angesichts dessen, was er sagte und tat, immer wieder erstaunt. Er ging, augenscheinlich wie ein ganz gewöhnlicher Mensch, die Straße entlang, um sich auf einmal umzudrehen und Dinge zu sagen wie ‚Lange bevor Abraham geboren wurde, war ich da‘ oder ‚Wer mich gesehen hat, der hat auch den Vater gesehen.‘ Oder er sagte, nachdem man ihn der Gotteslästerung bezichtigt hatte, mit ruhiger Stimme: ‚[D]er Menschensohn [hat] die Macht […], hier auf der Erde Sünden zu vergeben.‘ Zu den Toten sagte er einfach ‚Komm heraus‘ oder ‚Steh auf‘. Und sie gehorchten ihm. Zur stürmischen See sagte er: ‚Sei still!‘ Und einem Laib Brot gebot er: ‚Werde zu Tausenden von Mahlzeiten.‘ Und all das trug sich auf der Stelle zu.“[11]