Hat Jesus behauptet, Gott zu sein?

eng
Vor zweitausend Jahren setzte ein Mann namens Jesus Christus Fuß auf die Erde. Und seitdem ist nichts mehr so, wie es einmal war. Heute noch stellen sich viele die Frage: „Wer war dieser Mensch, der unsere Vorstellung von Gott und von uns selbst verändert hat?“ Zwar stellte Jesus radikale Behauptungen über seine Identität auf, aber er trat auch als mitfühlender, demütiger Diener mit dem Auftrag auf, uns vor der Sünde zu retten.
Jesus war denen, die die ihn sahen und hörten, ein Mysterium. Für die Massen war er ein großer Arzt, der Blinde, Taube und Gelähmte heilte. Den Geknechteten und Ausgestoßenen brachte er Hoffnung. Für seine Feinde war er ein Hochstapler. Für seine Anhänger war er der verheißene Messias.
Aber behauptete Jesus wirklich, Gott zu sein, so wie es die Christen glauben?
Im Mittelpunkt des Christseins steht der Glaube, dass Gott in der Person seines Sohnes, Jesus Christus, auf die Erde kam. Diejenigen, die Jesus selbst sahen und über ihn schrieben, nannten ihn den Schöpfer des Universums. Ravi Zacharias, der in einer Religionsgemeinschaft aufwuchs, die viele Götter kennt, schreibt über Jesus Christus als einen vollständigen Menschen und einen vollständigen Gott.

Hier also haben wir den Mann aus Nazareth, der behauptete, sein Ursprung liege im Himmel und sein Vater sei nichts weniger als Gott selbst – ein Sohn, der weder aus einem Geschlechtsakt noch aus der Notwendigkeit einer Gemeinschaft hervorgegangen sei, sondern der der höchste Ausdruck von Gott im Fleische sei und der eine ewige Gemeinschaft mit dem Vater bilde.[1]

J. I. Packer erklärt es so: „Das Evangelium berichtet, dass unser Schöpfer unser Erlöser geworden ist.“[2] Weil diese Überzeugung ein zentrales Motiv des Christentums ist, ist die Verleugnung der Gottheit Jesu Christi ein Dolchstoß ins Herz der christlichen Botschaft.
Aber hat Jesus wirklich behauptet, Gott zu sein, oder hat sich diese Lehre erst mit der Zeit entwickelt? Da Jesus Aramäisch (einen Dialekt des Hebräischen) sprach, müssen wir uns bewusst machen, was seine Behauptungen für seine Aramäisch sprechenden Zuhörer bedeuteten. Wie reagierten sie darauf?
Da seine jüdischen Zuhörer zutiefst in den hebräischen Schriften bewandert waren, müssen wir die Behauptungen Jesu über sich selbst im Lichte ihrer Lehre von Gott verstehen.
 
Hat Jesus gelehrt, dass Gott eins ist?
Die Bibel offenbart Jesus als den alleinigen Schöpfer des Universums. Er ist unendlich, ewig, allmächtig, allwissend, persönlich, rechtschaffen, liebend, gerecht und heilig. Er hat uns in seinem Bild und zu seiner Freude geschaffen. Nach der Bibel schuf uns Gott für ein ewiges Verhältnis mit sich selbst. (Mehr über diese Beziehung finden Sie hier: Ist Jesus heute noch relevant?).
Als Gott 1500 Jahre vor Christus im brennenden Busch mit Moses sprach, bekräftigte er mit Nachdruck, dass er der einzige Gott ist, den es gibt. Er sagte Moses, sein Name sei Jahwe (ICH BIN). (Die meisten von uns kennen die deutsche Übersetzung Jehova oder HERR besser.[3]) Seitdem lautet der grundlegende Gebetsvers (Schma) des Judentums wie folgt:

„Hört, ihr Israeliten! Der Herr ist unser Gott, der Herr allein.” (Deuteronomium 6:4)

Es war eine von einem monotheistischen Glauben geprägte Welt, in die Jesus kam, in der er wirkte und in der er Behauptungen aufstellte, die alle, die sie hörten, in Erstaunen versetzten. Und nach Ray Stedman ist Jesus das zentrale Thema der hebräischen

Schriften.

Hier ist in Gestalt eines lebenden, atmenden Menschen der Eine, der alle Symbole und Prophezeiungen vom ersten Buch Mose bis zum Buch des Propheten Maleachi mit Leben erfüllt und bewahrheitet. Wenn wir vom Alten zum Neuen Testament übergehen, stellen wir fest, dass eine Person, Jesus von Nazareth, im Brennpunkt beider Bücher steht.[4]
Aber die Tatsache, dass die Christen glauben, dass Jesus nicht nur Gott, sondern auch die Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiungen sei, bedeutet nicht, dass er von sich behauptete, Gott zu sein. Wir müssen uns folgende Frage stellen: Hat sich Jesus mit Jahwe gleichgesetzt, dem einzigen wahren Gott, der im brennenden Busch mit Moses sprach?
Um diese Frage beantworten zu können, wollen wir einen näheren Blick darauf werfen, welche Namen Jesus für sich selbst verwendete und was diese Namen für seine jüdischen Zuhörer bedeuteten. Wer behauptete Jesus ihrer Meinung nach zu sein?
 
Hat Jesus den Namen Gottes für sich selbst benutzt?
Als Jesus sein Wirken begann, lockten seine Wundertaten und seine radikale Lehre sofort riesige Menschenmengen an, die für helle Aufregung sorgten. Als seine Popularität in dem Maß zunahm, indem er die Massen anzog, begannen die Führer des jüdischen Volkes (Pharisäer, Sadduzäer und Schriftgelehrte), Jesus als eine Bedrohung wahrzunehmen. Und somit suchten sie auf einmal nach Möglichkeiten, um ihm eine Falle zu stellen.
Eines Tages, als Jesus mit Pharisäern im Tempel ein Streitgespräch führte, sagte er ihnen plötzlich, er sei „das Licht der Welt“. Wenn man sich diese Szene bildlich vorstellt, wirkt es geradezu grotesk, dass ein nicht sesshafter Zimmermann aus der Tiefebene Galiläas diesen Religionswissenschaftlern erzählt, er sei „das Licht der Welt“. Da sie selbst Jahwe für das Licht der Welt hielten, entgegneten sie ungehalten:
„Du bist doch wieder nur dein eigener Zeuge. Das beweist noch lange nicht, dass du die Wahrheit sagst.“ (Johannes 8:13 Hfa) Darauf sagte Jesus ihnen, dass einst, vor 2000 Jahren, Abraham sein Kommen vorausgesehen habe. Ihre Antwort zeugte von ihren Zweifeln:
„Du bist noch nicht einmal fünfzig Jahre alt und willst Abraham gesehen haben?“ (Johannes 8:57 Hfa)
Und dann schockierte Jesus sie mit seinen weiteren Worten, die kein gewöhnlicher Mensch jemals auszusprechen wagen würde:
„Ich sage euch die Wahrheit: Lange bevor Abraham überhaupt geboren wurde, war ich da.“ (Johannes 8:58 Hfa)
Aus heiterem Himmel behauptete dieser unorthodoxe Zimmermann, der auf keine religiöse Ausbildung verweisen konnte, schon immer existiert zu haben. Darüber hinaus verwendete er den Titel „Ich bin da“ (ego eimi), den heiligen Namen Gottes, für sich selbst! Diese Religionsexperten gingen ganz in den alttestamentlichen Schriften auf und erklärten einzig und allein Jahwe zu Gott. Sie kannten die Schrift in den Worten Jesajas:
Ich bin der einzige Gott. Es gibt keinen Gott, der vor mir da war, und es wird auch in Zukunft nie einen anderen geben.Ich, der Herr, bin der einzige Gott. Nur ich kann euch retten.“ (Jesaja 43:10, 11 Hfa)
Man kann leicht den Zorn derer verstehen, denen bewusst wurde, dass Jesus von sich selbst als Gott sprach. Da die Strafe für Gotteslästerung Tod durch Steinigung lautete, griffen die jüdischen Wortführer nach Steinen, um Jesus damit umzubringen. An dieser Stelle hätte Jesus sagen können: „Wartet mal! Ihr habt mich falsch verstanden – ich bin nicht Jahwe.“ Aber Jesus nahm seine Aussage in keinen Teilen zurück, auch wenn er damit das Risiko einging, getötet zu werden.
C. S. Lewis erklärt ihre Wut so:

Er sagt … ‚Ich bin der eingeborene Sohn des einen Gottes; ich war da vor Abraham‘. Sie müssen berücksichtigen, was die Worte ‚ich bin‘ auf Hebräisch bedeuteten. Sie waren der Name Gottes, der von keinem menschlichen Wesen ausgesprochen werden darf – der Name, dessen Äußerung den Tod bedeutete.“[6]

Nun mögen manche behaupten, es habe sich hier um einen Einzelfall gehandelt und dass Jesus nicht beabsichtigt habe, Gottes heiligen Namen auf sich selbst anzuwenden. Allerdings gebrauchte Jesus „Ich bin“ auch bei mehreren anderen Gelegenheiten für sich selbst. Stellen Sie sich ihre Reaktion auf die anderen radikalen Ansprüche Jesu vor:
  • „Ich bin das Licht der Welt.“ (Johannes 8:12)

  • „Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, und ich bin das Leben“ (Johannes 14:6)

  • „Ohne mich kann niemand zum Vater kommen.“ (Johannes 14:6) [„Ich bin der einzige Weg zum Vater.“]

  • „Ich bin die Auferstehung, und ich bin das Leben.“ (Johannes 11:25)

  • „Ich bin der gute Hirte.“ (Johannes 10:11)

  • „Ich allein bin die Tür.“ (Johannes 10:9)

  • Ich bin dieses Brot, das von Gott gekommen ist und euch das Leben gibt.“ (Johannes 6:51)

  • „Ich bin der wahre Weinstock.“ (Johannes 15:1)

  • „Ich bin das A und O.“ (Offenbarung 1:7, 8)

Würden diese Behauptungen nicht von Gott selbst stammen, hätte man Jesus, wie Lewis anmerkt, für einen Geisteskranken gehalten. Was Jesus für all jene, die ihn hörten, aber glaubwürdig machte, waren seine kreativen, von Mitgefühl gezeichneten Wunder. Darüber hinaus waren sie von seiner Weisheit und seiner Respekt einflößenden Lehre tief beeindruckt.
Jesus bezeichnete sich bei mehreren Gelegenheiten als der „Menschensohn“ und der „Sohn Gottes“. Wir wollen die Bedeutung dieser Namen unter Berücksichtigung dessen näher untersuchen, was seine jüdischen Zuhörer darunter verstanden.