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Von Jurek Schulz

Der Besuch der Ruinen von Qumran gehört zu fast jeder Israelreise. Der Schauplatz liegt 325 Meter unter dem Meeresspiegel am Nordwestufer des Toten Meeres, wo fast das ganze Jahr über eine sengende Hitze herrscht. Für so manchen Touristen ist eine Wanderung durch diese über 2000 Jahre alte Siedlung eher eine Qual, zumal der Anblick von Staub und Steinen eher trostlos und ermüdend wirkt. Bis 1947 interessierten sich nur Archäologen für dieses Plateau aus Ruinen, Felswänden, Zisternen und Grabanlagen. Der Ort kommt dem Namen nach in der Bibel nicht vor. Forscher vermuten jedoch, dass es sich hier um die biblische Siedlung Sechacha handelt (Jos. 15,61). Sie gehörte zum Stamm Juda und bestand wohl zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert v. Chr. Die erste kleine Sensation war, als drei königliche Siegelabdrucke von König Hiskia (2. Kön. 18–20, reg. 728-697 v. Chr.), also aus dieser Epoche, ans Tageslicht -kamen. Nach der Aufgabe der ersten Siedlung wird sie erst ca. 100 v. Chr. wieder erwähnt, diesmal unter dem Namen Khirbet Qumran (dt. „die graue Ruine“).

 

Ein vergessener Ort

Durch einen Zeitgenossen Jesu, Philo von Alexandrien (ca. 15 v. Chr. – 40 n. Chr.), wissen wir, dass an diesem Ort eine Essener-Siedlung existierte. Die religiöse Gruppe der Essener war eine Abspaltung der Pharisäer. Sie entwickelte eine eigene Theologie im Hinblick auf die „Endzeit“, auf die sie sich rituell vorbereitete. Auch Josephus Flavius (ca. 37-100 n. Chr.) lebte eine Zeit lang mit den Essenern und schrieb über sie (Vita 10-11).

Durch den römischen Krieg wurde Qumran 68 n. Chr. zerstört. Danach diente der Ort nur noch gelegentlich als Zufluchtsstätte, etwa während des Bar Kochba-Krieges 135 n. Chr. und zu Beginn der byzantinischen Zeit (ca. 4. Jh.). Schließlich geriet Qumran in Vergessenheit, und es wäre wohl niemandem eingefallen, von dort eine wissenschaftliche Sensation zu erwarten – bis zu den „Schriftfunden“ 1947.

Eine ganze Reihe von Mythen rankt sich um den Hergang jener Entdeckung. Fest steht jedoch, dass Anfang des Jahres 1947 der Beduinenjunge Muhammed edh-Dhib ca. 1,5 Kilometer nördlich von den Ruinen von Qumran eine kleine Höhlenöffnung erspähte. Weswegen er in den Felsklüften unterwegs war, konnte nie geklärt werden. Jedenfalls warf er einen Stein durch die Öffnung und hörte, wie daraufhin etwas zersprang. Neugierig geworden, stieg er in die Höhle und fand etliche 60 Zentimeter große Tonkrüge. Darunter auch den, der durch seinen Steinwurf zersprungen war. Aber welch eine Enttäuschung: Statt des erhofften Schatzes sah er nur in Leintücher gewickelte Lederrollen. Kurzerhand nahm er einige davon mit nach Hause zu seinem Stamm. Doch niemand konnte mit der Schrift auf den Rollen etwas anfangen. Die Überlieferung besagt, dass ein paar der Fundstücke von den Kindern als Spielzeug benutzt wurden und als Folge so manche Leder- oder Pergamentschnipsel wohl dem Wüstenwind zum Opfer fielen. Doch einige Rollen brachten die Beduinen nach Bethlehem zu dem Schuster Khalil Iskander Shahin, genannt Kando, der einen Antiquitätenhandel im Nebenerwerb unterhielt. Dieser bot jene ersten Rollen dem syrisch-orthodoxen Bischof Samuel an, der das außerordentliche Alter der Rollen erkannte. Von da an nahm die Sensation ihren Lauf.

 

Zuverlässigkeit erwiesen

Nach und nach wurde zwischen 1947 und 1956 rund um Qumran in elf Höhlen eine komplette jüdische Bibliothek der Essener entdeckt. Von manchen der insgesamt 15 000 Schriftfragmente von über 800 Schriftrollen (zum Teil über 8 Meter lang) waren nur noch Fragmente vorhanden, doch die Bibelteile konnten bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. zurückdatiert werden. Bis auf das Buch Ester wurden Abschriften der kompletten hebräischen Bibel, also des Alten Testaments, gefunden.

Die meisten Kopien existierten vom 5. Buch Mose und von den Psalmen (39). Die wohl berühmteste Abschrift ist die komplett erhaltene Jesajarolle aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Bis zu dieser Entdeckung wurde die älteste Abschrift der Bibel, der Codex Leningradensis, auf das Jahr 1008 n. Chr. datiert. Doch nun kam die Sensation. Die mehr als 1000 Jahre älteren Dokumente bewiesen die exakte Genauigkeit der Überlieferung der Bibel. Das heißt, der Text, den wir heute im Alten Testament lesen, ist absolut identisch mit dem, den die Menschen zur Zeit Jesu, wie auch Jesus selbst, besaßen. Qumran ist daher ein Beweis dafür, dass Gott über Seinem Wort wacht.

 

Der Qumranexperte Alexander Schick bietet Gemeinden eine in Europa einmalige Qumran-Ausstellung an: http://www.bibelausstellung.de/

Quelle: amzi