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Spurgeon, Charles Haddon – Der Allerhöchste und sein Heil

Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst
keiner mehr. Jesaja 45, 22
Heute vor sechs Jahren, fast um diese Stunde, war ich voll bitterer Galle und verstrickt in
Ungerechtigkeit (Apg. 8, 23).’ Doch hatte mich Gottes Gnade dahin gebracht, daß ich die Bitterkeit dieser Verstrickung empfinden und vor Schmerz über diese Sklaverei weinen konnte. Ich suchte Ruhe und fand sie nicht. Da ging ich in das Haus des HERRN und setzte mich dort nieder. Doch ich wagte nicht, aufzublicken, aus Furcht, ich könnte plötzlich sterben und sein grimmiger Zorn könnte mich verzehren. Der Prediger stieg auf die Kanzel und las diesen Vers: „Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr“. Ich bekehrte mich in diesem Augenblick, und im selben Augenblick wurde mir die Gnade des Glaubens gewährt, und ich glaube, ich kann nun in Wahrheit sagen:
Seit ich im Glauben sah die Wunden
des Lamms für mich um Gnade schrei’n,
War seine Lieb’ zu allen Stunden
Mein Lied, wird’s bis zum Tode sein.
Nie werde ich jenen Tag vergessen, so lange ich denken kann. Ich kann es auch nicht unterlassen, diese Worte zu wiederholen, wenn ich an jene Stunde denke, da ich den HERRN zum ersten Mal erkannte. Wie außerordentlich gnädig, wie erstaunlich und wunderbar gütig, daß der Mensch, der erst vor kurzer Zeit diese Worte zu seinem eigenen Heil vernommen hat, sie euch heute in der vollen und zuversichtlichen Hoffnung ans Herz legen darf, daß jeder arme Sünder, der hier anwesend ist, die frohmachende Botschaft von der Erlösung auch auf sich anwenden kann und sich heute bekehren kann von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt Satans zu Gott (Apg. 26. 18).
Wenn es im Bereich des menschlichen Fassungsvermögens läge, eine Zeit zu denken, wo Gott
allein war, ohne seine Geschöpfe und Werke, so würde sich uns einer der großartigsten und
erstaunlichsten Gedanken darstellen. Es gab eine Zeit, wo die Sonne noch nie ihren Lauf begonnen hatte, noch nie die Tiefen des Weltraums mit ihrem goldenen Strahlenmeer erleuchtet hatte. Es gab eine Vergangenheit, wo keine Sterne am Firmament funkelten, es gab das azurblaue Meer noch nicht, in dem sie schwimmen konnten. Es gab einmal einen Zustand, wo alles, was wir jetzt von Gottes großer Welt sehen, noch nicht geboren war, wohl schlummernd im Geiste Gottes, aber noch nicht erschaffen, noch nicht existent. Aber Gott war, und er war über alles, gelobt in Ewigkeit (Röm. 9, 5). Ob auch noch keine Seraphim sein Lob verkündigten und ihn preisend sangen, ob auch noch keine Cherubim auf ihren starken Flügeln dahin eilten wie das Leuchten des Blitzes, um seine Befehle auszurichten. Wenn er auch ohne Gefolge war, dennoch saß er, ein König, auf seinem Thron, der mächtige Gott, ewig anbetungswürdig, der Schrecklich-Erhabene, in feierlicher Stille wohnend bei sich selbst in weiter Unendlichkeit, ruhend auf sanften Wolken, umstrahlt vom Licht seines eigenen Antlitzes als von einem Diadem seiner Herrlichkeit. Gott war, und Gott ist. Gott war Gott von Anfang an. Ehe Welten ihren Anfang nahmen, war er Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Wenn es ihm nun gefiel, seine Schöpfung ins Dasein zu rufen, müßt ihr da nicht einsehen, daß diese Geschöpfe unendlich tiefer unter ihm stehen müssen? Wenn einer von euch ein Töpfer ist, und er auf der Drehscheibe ein Gefäß formt, darf sich dann dies Stück Ton anmaßen, sich mit seinem Töpfer zu vergleichen? Nein! Wie weit muß es hinter ihm zurückstehen, da er sozusagen sein Schöpfer war! Und da der Allmächtige seine Geschöpfe bildete, wäre es da nicht die höchste Schamlosigkeit, wenn sie es auch nur einen Augenblick wagen würden, sich mit ihm vergleichen zu wollen?
Seht, jener Erzverräter, jener Anführer der Empörung, Satan, suchte den erhabenen Thron Gottes zu erobern, aber bald merkte er, daß sein Ziel unerreichbar war, und daß selbst die Hölle nicht tief genug war, um der göttlichen Strafe entfliehen zu können. Er weiß, daß Gott alleine Gott ist.
Nachdem die Welt erschaffen war, hat es der Mensch dem Satan nachgemacht. Das Geschöpf eines Tages, das Gebilde einer Stunde, glaubte, sich mit dem Ewigen vergleichen zu können. Daher ist es von jeher Gottes Bestreben gewesen, die Menschen zu lehren, daß Er Gott ist, und außer Ihm kein anderer. Das ist die Lehre, wie Er die Welt lehrt, seit sie von ihm abgewichen ist. Er hat sich es zur Aufgabe gemacht, die Höhen abzubrechen, die Täler zu ebnen, Einbildungen und Eitelkeiten zu Schanden zu machen, auf daß alle Welt wisse: Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott, Er kann erschaffen, kann zerstören.
Wir versuchen nun erstens zu zeigen, wie Gott seine große Lehre, daß Er Gott ist und sonst keiner mehr, der Welt verkündigt hat; und dann zweitens, auf welche Art und Weise er die Welt den Weg der Erlösung lehrt: Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr.

I. Wie hat Gott seine Lehre den Menschen verkündigt? Wir antworten: Er hat sie vor allem den
falschen Göttern und den Götzendienern, die vor den Götzen knien, verkündigt. Der Mensch hat in seiner Verderbtheit und Sünde einen hölzernen Klotz und einen Stein aufgerichtet. Er macht sich daraus einen Götzen und wirft sich davor nieder (Jes. 44, 15). Aus einem Baumstamm schnitzt er sich ein Bild, daß einem sterblichen Menschen oder der Gestalt der Fische im Meer oder dem kriechenden Gewürm gleicht, und er wirft davor seinen Leib in den Staub der Erde, und seine Seele dazu, vor einem Werk seiner eigenen Hand Er nennt es einen Gott, der doch keine Augen hat, um zu sehen, noch Hände, um zu greifen, noch Ohren, um zu hören!
Wie sehr hat Gott seine Verachtung ausgeschüttet über alle Götzen der Heiden. Wo sind sie nun? Sie sind kaum noch bekannt. Wo sind nun jene falschen Götter, vor denen die Leute von Ninive anbeteten? Fragt die Maulwürfe und die Fledermäuse, die nun ihre Gesellen sind, oder erkundigt euch bei den Schutthügeln, unter denen sie begraben sind; oder geht zu den müßigen Gaffern in die Museen, und betrachtet die Götzenbilder, die dort als Kostbarkeiten ausgestellt sind. Ja, lächelt mitleidig bei dem Gedanken, daß Menschen solche Götter anrufen und anbeten konnten. Und wo sind die Götter Persiens? Wo sind sie? Die heiligen Feuer sind erloschen, und der Feueranbeter ist beinahe ganz von der Erde verschwunden. Wo sind die Götter Griechenlands – jene in Lobeshymnen gefeierten, in Dichtungen verherrlichten Götter? Wo sind sie? Sie sind dahin! Jupiter – beugt sich ein einziger vor diesem Gewaltigen? Und wo findet sich einer, der Saturn verehrt? Sie sind dahin, sie sind vergessen. Und wo sind die Götter Roms? Herrscht heute Janus noch als Höchster der Götter im Tempel? Nähren noch heute die Vestalinnen als Priesterinnen das ewige Feuer? Gibt es einen, der sich vor diesen Göttern niederwirft? Nein, ihre Throne sind zertrümmert. Und wo sind die Götter der Südseeinseln – jene blutdürstigen Dämonen, vor denen elende Menschen ihre Leiber in den Staub niederlegten? Sie sind nahezu verschwunden. Fragt die Bewohner Chinas und Polynesiens, wo die Götter sind, vor denen sie anbeteten. Fragt, und fragt noch einmal, und fragt wieder. Sie sind von ihren Thronen gestürzt, herabgerissen von ihren Säulen, ihre Wagen sind zertrümmert, ihre Zepter mit Feuer verbrannt, dahin ist ihre Herrlichkeit.
Gott hat sich den Sieg über falsche Götter vorbehalten und hat ihren Anbetern gezeigt, daß Er allein Gott ist und außer Ihm keiner. Werden ihre Götter jetzt noch verehrt, gibt es noch Götzenbilder, vor denen sich die Völker beugen? Wartet noch ein klein wenig und ihr werdet sie fallen sehen. Die berühmtesten Abgötter, wie Buddha und Brahma und Wischnu, siehe, sie müssen sich zur Erde beugen und die Menschen müssen sie wie den Staub der Straße zertreten. Denn Gott will alle Welt lehren, daß Er Gott ist, und sonst keiner mehr.
Und seht, wie Gott seine Wahrheit den Königreichen gezeigt hat. Königreiche sind entstanden und mächtig geworden, und sie waren die Götter ihres Zeitalters. Ihre Könige und Fürsten haben hohe Titel angenommen, und wurden von der Menge als Götter verehrt. Aber fragt die Gewaltigen, ob einer ist, außer Gott. Hört ihr nicht das prahlerische Rühmen Babylons: Ich throne hier und bin eine Königin, und bin keine Witwe, und Leid werde ich nicht sehen (Off. 18, 7). Ich bin es. und sonst keiner! (Jes. 47, 8 u. 10). Und wenn ihr jetzt über Babylons Schutthügel geht, meint ihr, daß euch da etwas anderes entgegentreten wird als der feierlich-ernste Geist des göttlichen Wortes, der euch wie ein altersgrauer Prophet zuruft: Es ist ein Gott, und sonst keiner. Geht hin nach Babylon, bedeckt mit dem Staub seiner eigenen Herrlichkeit. Stellt euch auf die Trümmerhügel Ninives und hört die Stimme, die da ruft: „Es ist ein einziger Gott, und Königreiche sinken vor Ihm dahin; es ist ein Herrscher, und die Fürsten und Könige der Erde, ihre Herrschaften und ihre Throne erbeben bei dem gewaltigen Tritt seines Fußes.“
Geht hin, setzt euch in Griechenlands Tempel nieder und achtet auf die stolzen Worte, die Alexander einst sprach. Aber wo ist er jetzt, und wo sein Reich? Setzt euch auf die Bogentrümmer der Brücke Karthagos oder schreitet durch die verödeten Theater Roms, so werdet ihr mitten durch das wilde Geheul des Windes, der durch diese Räume zieht, die Worte vernehmen: Ich bin Gott, und sonst keiner mehr.
„O, Stadt! Du nanntest dich die Ewige; auf meinen Wink bist du verschwunden wie der Tau. Du
sprachst: Ich sitze auf sieben Hügeln, und ich werde ewig bleiben. Siehe, ich habe dich zermalmt, und nun bist du ein elender und trauriger Ort gegenüber dem, was du einst warst. Früher warst du Stein, du hast dich in Marmor verwandelt. Ich habe dich aber wieder zu Stein gemacht und gedemütigt!“ Wie hat doch Gott die Königreiche und Herrschaften, die sich wie neue Himmelsreiche übermütig erhoben, wie hat er sie gelehrt, daß Er Gott ist, und sonst keiner mehr!
Weiter: wie hat Er diese große Wahrheit den Herrschern gezeigt! Einige der stolzesten haben es
deutlicher erfahren als andere. Nehmt zum Beispiel Nebukadnezar. Seine Krone ruht auf seinem Haupt, sein Purpurmantel hängt von seinen Schultern herab; er überschaut das stolze Babylon vonseiner Burg aus und spricht: Das ist das große Babel, das ich erbaut habe zur Königsstadt durch meine große Macht zu Ehren meiner Herrlichkeit (Dan. 4, 27). Seht ihr dort jenes Geschöpf auf dem Feld? Es ist ein Mensch. „Ein Mensch?“ fragt ihr. Sein Haar ist gewachsen so groß wie Adlersfedern, und seine Nägel wie Vogelsklauen (Dan. 4, 30). Er geht auf allen Vieren und frißt Gras wie die Ochsen und ist von den Menschen verstoßen. Es ist der Herrscher, der sprach: „Das ist das große Babel, das ich erbaut habe.“ Und nun ist er wieder zur königlichen Herrlichkeit gekommen und aufgenommen in Babylons Palast, auf daß er ehre und preise den König des Himmels. Denn all sein Tun ist Wahrheit, und seine Wege sind recht, und wer stolz ist, den kann er demütigen (Dan. 4, 34).
Erinnert euch eines anderen Fürsten: Seht Herodes an. Er thront mitten unter seinem Volk, und er spricht. Hört ihr das gotteslästerliche Geschrei? „Das ist Gottes Stimme und nicht die eines Menschen.“ (Apg. 12, 22). Der stolze Monarch gibt Gott nicht die Ehre. Er tut, als wäre er Gott und scheint die Himmel zu erschüttern und bildet sich selbst ein, göttlich zu sein. Ein Wurm bohrt sich in seinen Körper, und wieder einer und noch einer, und ehe die Sonne untergeht, ist er von Würmern gefressen. O Herrscher! Du meintest, ein Gott zu sein, und Würmer haben dich gefressen! Du hieltest dich für mehr als ein Mensch und was bist du nun? Weniger als ein Mensch, denn Würmer verzehren dich, und du bist die Beute der Verwesung. So demütigt Gott den Stolzen, so erniedrigt er den Mächtigen.
Wir könnten euch aus der neueren Zeit Beispiele nennen. Aber der Tod eines Herrschers reicht aus, diese eine Lehre zu bekräftigen, wenn die Menschen sie nur fassen wollten. Wenn Könige sterben und mit feierlicher Pracht bestattet werden, so wird uns die Lehre eingeprägt: „Ich bin Gott, und sonst keiner mehr.“ Wenn wir von Revolutionen hören, vom Wanken der Königreiche, wenn wir alte Dynastien erzittern und ergraute Monarchen von ihren Thronen vertrieben sehen, dann, dann scheint der HERR seinen Fuß auf Land und Meer zu setzen und mit erhobener Hand zu rufen:
„Höret, die ihr auf der Erde wohnt, ihr seid wie Heuschrecken!“ (Jes. 40, 22). Ich bin Gott, und
sonst keiner mehr!
Es hat unsrem Gott viel Mühe gekostet, diese Lehre den Weisen dieser Welt zu zeigen. Denn wie sich Ehre, Pracht und Macht als Gott aufgeführt haben, so auch die menschliche Weisheit. Einer der erbittertsten Feinde Gottes war von jeher die Menschen-Weisheit. Diese Weisheit will Gott nicht sehen. Sie haben sich als weise gerühmt. Siehe, diese Weisen sind Narren geworden. Wenn ihr die Geschichte studiert, seht ihr nicht, wie Gott den Stolz der Weisen demütigt? In längst vergangenen Zeiten sandte er mächtige Geister in die Welt, die philosophische Systeme aufstellten. „Diese Systeme“, sagten sie, „werden ewig gelten.“ Ihre Jünger glaubten daran, ohne einen Zweifel zu hegen, und schrieben daher ihre Lehre auf starkes Pergament und sprachen: „Dies Buch wird ewig Geltung haben. Ein Geschlecht um das andere wird es lesen, und bis zum letzten Menschen wird dieses Buch als grundlegender Schatz der Weisheit vererbt werden.“ „Aber ach!“ sprach Gott. „Euer Buch wird man als närrisch und töricht erkennen bevor noch hundert Jahre um sind.“ Und so sind die gewaltigen Gedanken eines Sokrates und die Weisheit eines Solon nun äußerlich vergessen, und könnten wir sie reden hören, so würde das letzte Kind in unseren Schulen lachen und denken, es verstände mehr von Philosophie als sie. Aber wenn der Mensch die Eitelkeit des einen Systems erkannt hat, so hat ein anderes seine Aufmerksamkeit wieder auf sich gezogen. Genügt Aristoteles nicht mehr, so ist Bako da, nun werde ich den Grund aller Dinge erfahren. Und man macht sich dran, und spricht es aus, diese neue Philosophie werde ewig gelten. Er baut die in herrlichen Farben glänzenden Steine auf, und meint, daß jede Wahrheit, die er aufschichtet, eine kostbare, unvergängliche Wahrheit sei. Aber ach! Es kommt ein neues Jahrhundert und findet, das sei „Holz, Heu und Stoppeln.“ Eine neue Schule von Philosophen tritt auf und widerlegt ihre Vorgänger. Und so besitzen wir auch heute Weise, Professoren usw., welche sich einbilden, die Wahrheit errungen zu haben, aber nach fünfzig Jahren, und merkt darauf, wenn diese Haare noch nicht ergraut sind, wird der letzte Name dieser Schule verklungen sein, und man wird den für einen Toren halten, der je mit ihr in Verbindung stand.
Die Lehrgebäude des Unglaubens vergehen wie die Tautropfen im Sonnenschein. Denn Gott der
HERR spricht: Ich bin Gott, und sonst keiner mehr! Diese Bibel ist der Fels, der die Weltweisheit in Staub zermalmen wird, das ist der gewaltige Mauerbrecher, der alle Burgen der menschlichen Weisheit zertrümmern wird. Dies ist der Mühlstein, den ein Weib auf das Haupt eines jeden Abimelech werfen mag, so daß er gänzlich zerschmettert werde (vgl. Richter 9, 53). O, Gemeinde Gottes, fürchte dich nicht! Du sollst Wunder tun, und die Weisen sollen verzweifeln, und du sollst erfahren, und sie mit dir, daß Er Gott ist, und sonst keiner mehr.
„Wahrlich“, spricht einer, „die Kirche Gottes braucht nicht, daß man auch ihr das zeige.“ O, gewiß benötigt sie es. Denn von allen Wesen sind vielleicht die, die Gott zum Gegenstand seiner Gnade gemacht hat, am meisten dazu geneigt, diese Hauptwahrheit zu vergessen: Er ist Gott, und sonst keiner mehr! Wie haben es die Kinder Gottes in Kanaan vergessen, so daß sie ihre Knie beugten vor fremden Göttern. Darum hat Er mächtige Könige und Fürsten gegen sie gereizt und sie schwer heimgesucht. Wie hat es Israel vergessen! Aber Er hat sie gefangen weggeführt nach Babylon. Und was Israel in Kanaan und in Babylon getrieben hat, wissen wir. Zu oft, zu oft vergessen wir, daß Er Gott ist, und sonst keiner mehr.
Erkennt der Christ nicht, was ich meine, wenn ich ihm diese große Tatsache vorhalte? Hat er es nicht auch schon getan? Manchmal ist es ihm gut gegangen, sanfte Winde haben sein Schiff gerade dahin getrieben, wo sein launischer Wille es hinsteuern wollte, und er sagte zu sich selbst: „Nun habe ich Frieden, nun habe ich Glück, die Güter, nach denen ich strebte, sind in meiner Gewalt, nun will ich sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe iß und trink, und habe guten Mut“ (Luk. 12, 19). „Das wird mich erquicken, mache das zu deinem Gott, sei glücklich und zufrieden.“ Aber sieh doch ein: Gott hat den Becher auf die Erde ausgegossen und den köstlichen Wein verschüttet, und statt dessen Galle eingeschenkt, und hat es uns gereicht und gesagt: „Trinke, trinke! Du hast gemeint, auf Erden einen Gott zu finden, aber leere den Kelch und schmecke seine Bitterkeit.“ Da wir ihn getrunken haben, ekelte es uns an, und wir riefen aus: „Ach Gott! Ich mag nichts mehr von diesen Dingen wissen. Du bist Gott, und sonst keiner mehr!“ Und ach! Wie oft haben wir Pläne für die Zukunft gemacht, ohne dabei nach Gott zu fragen! Die Menschen haben, wie die Narren, die der Apostel Jakobus schildert, gesprochen und gesagt: Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen, und wollen ein Jahr dort zubringen, und Handel treiben und Gewinn machen (Jak. 4, 13). Obwohl sie doch nicht wußten, wie es am Abend oder am ändern Tag stehen würde. Denn lange ehe der Abend oder Morgen anbrach, konnten sie weder kaufen noch verkaufen, der Tod hatte sie abgerufen.
Gott zeigt es seinem Volke täglich durch geistliche Dürre, durch Anfechtung, durch Niedergeschlagenheit, durch Gottverlassenheit, durch zeitweise Entziehung seines Heiligen Geistes, durch den Mangel der Freude über seine Freundlichkeit und Gnade: Er ist Gott, und sonst keiner mehr! Und wir dürfen nicht vergessen, daß viele Diener Gottes zu großen Taten ersehen wurden, die am eigenen Leibe diese Lehre erfahren mußten. Da ist zum Beispiel ein Mensch zu dem großen Werk der Verkündigung des Evangeliums berufen. Er wirkt im Segen; Gott steht ihm bei. Tausende sitzen zu seinen Füßen, und Scharen verschlingen seine Worte. So wahr dieser Mensch ein Mensch ist, so wahr wird man ihn über die Maßen erheben und verehren, und er wird anfangen, zu viel auf sich selbst und zu wenig auf Gott zu achten. Hört auf die Leute, die das wissen, und wer das weiß, soll es laut sagen: „Es ist wahr, es ist nur zu wahr.“ Wenn Gott uns eine besondere Berufung anvertraut, so wollen wir uns selbst dabei etwas Ehre und Ruhm erwerben. Aber wenn ihr die Heiligen Gottes anseht, ist euch da noch nie aufgefallen, wie Gott sie hat fühlen lassen, daß Er Gott ist, und sonst keiner mehr?
Vielleicht hätte sich der arme Paulus selbst Gott gleich geachtet und wäre auf Grund der
Offenbarungen, die er empfangen hatte, sehr hochmütig geworden, wäre da nicht ein Pfahl im
Fleisch gewesen. Aber Paulus konnte spüren, daß er kein Gott war, denn er hatte einen Pfahl im
Fleisch, und Götter können ja keinen Pfahl im Fleisch haben. Oft belehrt Gott seinen Knecht, indem er seinen Beistand in bestimmten Fällen versagt. Wir besteigen unsere Kanzel und sagen: „Ach, ich mochte, daß ich heute einen gesegneten Tag hätte!“ Wir beginnen unsre Arbeit; wir haben gerade gebetet und fast nicht aufhören können; aber es gleicht dem blinden Pferd, das in endlosem Kreisgang die Mühle treibt, oder dem Simson bei Delila: Wir bewegen unsre Lippen zum Erstaunen, kämpfen uns müde und erringen keinen Sieg. Wir müssen einsehen, daß der Herr Gott ist, und sonst keiner mehr.
Sehr oft lehrt Gott dies seinen Diener, indem er ihm seine eigene sündliche Natur vorhält. Er
bekommt eine solche Einsicht in sein elendes und verabscheuungswürdiges Herz, daß er beim
Betreten der Kanzel fühlt, er verdiene nicht, sich hier niederzusetzen, geschweige denn anderen Gottes Wort zu verkündigen. Und obwohl wir immer in der Verkündigung der göttlichen Wahrheit große Freude empfinden, so haben wir doch erfahren, was es heißt, auf den Kanzelstufen unter dem Gefühl zu wanken, daß dem größten unter den Sündern kaum erlaubt sein sollte, anderen zu predigen. Ach Geliebte, ich glaube nicht, daß gerade der als Diener des Worts besonders erfolgreich wirke, der nie in die Tiefen und Dunkelheiten seines eigenen Seelenlebens geführt wird, und rufen muß: Mir, dem Allergeringsten unter allen Heiligen, ist die Gnade gegeben worden, den Heiden zu verkündigen den unausforschlichen Reichtum Christi (Eph. 3, 8).
Noch ein anderes Mittel wendet Gott bei seinen Dienern an. Wenn Er sich nicht persönlich mit
ihnen einläßt, so stachelt Er gegen sie einen Schwarm von Feinden auf, damit man sieht, daß Er Gott, daß Er alleine Gott ist. Ein lieber Freund sandte mir gestern eine wertvolle alte Handschrift mit einem herrlichen Lied. Ein köstliches Lied, köstlich durch und durch. Es atmete völliges Vertrauen vom HERRN. Wie nun! Wird ein Mensch sich den Verunglimpfungen der Menge aussetzen, wird er sich unnötigerweise Tag für Tag abmühen und arbeiten, wird er Sonntag für Sonntag die Kanzel besteigen und das Evangelium predigen und sich schmähen und beschimpfen lassen, wenn nicht Gottes Gnade in ihm wohnt? Was mich betrifft, so muß ich gestehen, wenn mich nicht die Liebe Christi triebe, so würde dies die letzte Predigt sein, die ich hielte, wenn es mir um Annehmlichkeit zu tun wäre. Denn daß ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muß es tun. Und wehe mir. wenn ich das Evangelium nicht predigte (l. Kor. 9, 16). Aber jener Widerspruch, durch den Gott seine Knechte führt, bringt sie auf einmal zur Einsicht, daß Er Gott ist, und sonst keiner mehr. Wenn jedermann Beifall zollte, wenn alle befriedigt wären, so würden wir hochmütig werden und uns Gott gleichstellen. Wenn man aber zischt und schreit, dann wenden wir uns zu Gott und rufen aus:
Ist Gott für mich, so trete
Gleich alles wider mich;
So oft ich ruf und bete,
Weicht alles hinter sich;
Hab’ ich das Haupt zum Freunde
Und bin geliebt bei Gott,
Was kann mir tun der Feinde
Und Widersacher Rott?

II.
Dies führt uns zum zweiten Teil unsrer Betrachtung. Erlösung ist Gottes größtes Werk, und in
diesem seinem größten Werk zeigt er uns die Wahrheit: Er ist Gott, und sonst keiner mehr. Unser Text sagt uns, wie Er es zeigt. Er spricht: Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden. Daß Er Gott ist, und sonst keiner mehr, zeigt Er uns durch drei Dinge. Erstens durch die Person, auf die Er uns hinweist: Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet. Zweitens durch die Mittel, auf die Er uns hinweist, um die Gnade zu erfahren: Wendet euch, einfach wendet euch. Und drittens durch die Personen, denen Er dies „wendet euch“ zuruft: Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden.
Erstens, an wen sollen wir uns wenden, um erlöst zu werden? Ach! Demütigt es nicht den
menschlichen Stolz, wenn wir den HERRN sagen hören: Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Ende? Es heißt nicht: „Wendet euch an euren Geistlichen, so werdet : ihr selig!“ Tätet ihr das, so gäbe es noch einen anderen Gott, und neben dem wäre wieder irgendein anderer. Es heißt nicht: „Wendet euch zu euch selbst.“ Wäre das so, dann gäbe es ein Wesen, das sich etwas von dem Ruhm der Erlösung anmaßen könnte. Sondern es heißt: „Wendet euch zu mir.“ Wie oft schaut ihr auf euch, die ihr zu Christus kommt. „Ach!“ sagt ihr, „meine Reue ist nicht richtig.“ Das heißt, auf euch selbst sehen. „Ich habe nicht genug Glauben.“ Das heißt, auf euch selbst sehen. „Ich bin allzu unwürdig.“ Das heißt, auf euch selbst sehen. „Ich kann nicht finden“, sagt ein anderer, „daß irgendetwas Gutes an mir sei.“ Es ist allerdings richtig, daß ihr sagt, es sei nichts Gutes an euch.
Aber es ist vollkommen verkehrt, darauf zu sehen. Es heißt: „Wendet euch zu mir“. Gott will, daß ihr eure Augen von euch selbst abzieht und auf ihn richtet. Für einen Menschen ist es das Schwerste in der Welt, die Augen von sich selbst abzuwenden. So lang er lebt, hat er beständig die Neigung, seine Augen nach innen zu wenden und auf sich selbst zu sehen, während Gott spricht: „Wendet euch zu mir“. Vom Kreuz auf Golgatha, wo von den blutenden Händen Jesu Gnade fließt; vom Garten Gethsemane, wo der blutige Schweiß des Heilandes Vergebung trieft, ertönt der Ruf: Wendet euch zu mir, so v/erdet ihr gerettet, aller Welt Enden. Von Golgathas Gipfel, wo Jesus ruft: Es ist vollbracht! höre ich den Ruf: Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet. Aber es kommt ein böser Zuruf aus unserm Herzen: „Nein, schau auf dich! schau auf dich!“ Ach, lieber Zuhörer, schau auf dich, dann wirst du verdammt werden. Das ist gewiß. So lang ihr auf euch selber seht, ist alle Hoffnung für euch dahin. Nicht das Anschauen dessen, was ihr seid, sondern einzig das Anschauen dessen, was Gott ist, und was Christus ist, kann euch selig machen. Seht von euch weg auf Jesus.
Ach, es gibt Menschen, die das Evangelium ganz falsch auffassen. Sie meinen, ein rechtschaffener Wandel mache sie tüchtig, zu Christus zu kommen. Dabei ist doch die Sünde das Einzige, was uns zu Jesu treibt und führt. Der edle alte Crispinus sagt: „Rechtschaffenheit trennt mich von Christus. Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Die Sünde treibt mich zu Jesus, sobald die Sünde empfunden wird, und wenn ich zu Christus komme, so habe ich um so mehr Hoffnung der Gnade, je schwerer die Last meiner Sünde ist.“ David sprach: Herr sei meiner Missetat gnädig, denn sie ist groß (wörtl. Ps. 25, 11, nicht nach Luther). Aber, David, warum sagst du nicht, sie sei nur gering? Weil David wußte, je schlimmer seine Sünden waren, um so mehr Grund hatte er, um Gnade zu flehen. Je schlechter ein Mensch ist, um so ernsthafter fordere ich ihn auf, an Jesus zu glauben.
Wir, Diener Gottes, haben nur dafür zu sorgen, daß die Sünde empfunden wird. Wir predigen Sündern, und wenn wir wissen, daß ein Mensch den Namen eines Sünders auf sich nimmt, so sagen wir zu ihm: „Wende dich zu Christus, so wirst du selig.“ Wende dich, das ist alles, was er von dir verlangt, und sogar das schenkt er dir. Wenn du auf dich selber schaust, so wirst du verdammt. Dann bist du eine elende Mißgeburt, voller Abscheulichkeit, verdorben und andern zum Verderben. Aber schau hierher! Siehst du jenen Mann, der am Kreuze hängt? Betrachtest du genau sein todmüdes Antlitz, das sich matt auf die Brust herunter neigt? Siehst du jene Dornenkrone, von deren Wunden das Blut über seine Wangen herabfließt? Siehst du seine durchbohrten und zerrissenen Hände und seine zerfleischten Füße, die die Last seines Körpers tragen, zerfleischt alle beide von schrecklichen Nägeln? Sünder! Hörst du ihn angsterfüllt rufen: Eli, Eli, lama asabthani? Hörst du ihn rufen: Es ist vollbracht? Schaust du, wie er das Haupt im Tode neigt? Siehst du jene vom Speer durchbohrte Seite, und wie man den Leichnam vom Kreuz abnimmt? Ach! Komm doch hierher! Seine Hände wurden für dich angenagelt, seine Füße für dich zerfleischt, seine Seitenwunde klafft für dich, und wenn du wissen möchtest, wie du Gnade finden kannst, so siehe, hier hast du es! Wendet euch zu mir! Wende dich nicht länger zu Mose. Wende dich nicht zum Sinai. Komm hierher und wende dich nach Golgatha, zu Golgathas Opferlamm, und zu Josephs Grab. Und wende dich dorthin, zu dem Mann, der auf dem Thron sitzt mit seinem Vater, gekrönt mit Glanz und Unsterblichkeit. „Wende dich, Sünder!“ spricht er heute, spricht er jetzt zu dir „wende dich zu mir, so wirst du selig.“
Siehst du, so lehrt Gott, daß außer ihm keiner ist, weil er ganz allein uns auffordert, daß wir uns zu ihm wenden, und daß wir uns ganz und gar von uns selbst abwenden.
Der zweite Gedanke aber ist: Das Mittel der Erlösung. Es heißt:
Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig. Ich bin überzeugt, ihr habt schon oft bemerkt, daß viele eine Vorliebe für einen umständlichen Gottesdienst, für eine künstlich geordnete Gottesverehrung hegen, für eine solche, die sie nicht recht verstehen. Sie können einen einfachen Gottesdienst nicht ertragen. Sie verlangen eine weiße und eine schwarze Amtskleidung, sie verlangen einen Altar und eine Kanzel nach einer bestimmten Form. Wenn dies auch noch nicht genügt, müssen Blumengewinde und Leuchter herbei. Dann wird der Geistliche zum Priester, und derselbe muß ein buntgesticktes Kleid haben mit einem Kreuz drauf, so geht es immer weiter. Der einfache Teller wird zur Monstranz, der Becher zum geweihten Kelch, und je komplizierter die Gottesdienstordnung ist, um so besser gefällt sie ihnen. Sie verlangen, der Priester müsse wie ein übernatürliches Wesen dastehen. Die Welt liebt eine Religion, die sie nicht versteht!
Habt ihr dagegen noch nie bemerkt, wie herrlich einfach das Wort Gottes ist? Es will nichts von
eurem Unsinn wissen, es spricht verständlich, und es spricht von nichts als von verständlichen
Dingen. „Wendet euch!“ das mag kein Unbekehrter hören, „wendet euch zu Christus, so werdet ihr gerettet.“ Nein, er kommt zu Christus, wie Naeman zu Elia, und wenn ihm gesagt wird: „Gehe, wasche dich im Jordan!“ so antwortet er: „Siehe, ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und herkommen und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien (2. Kön. 5, 11). Aber der Gedanke, mich im Jordan zu waschen – wie lächerlich ist das? Das könnte doch jeder!“ Hätte ihm der Prophet etwas Großes befohlen, hätte er es dann nicht getan? Ja, gewiß! Und wenn ich heute predigte, wenn einer barfuß von London nach Bath wanderte oder sonst etwas fast Unmögliches verrichtete, der sollte gerettet werden, so würdet ihr euch schon früh vor der Morgendämmerung auf den Weg machen. Wenn ich sieben Jahre lang vollauf damit zu tun hätte, euch den Weg der Erlösung vollständig zu erklären, so weiß ich sicher, ihr würdet hören und dabei bleiben. Wenn bloß ein einziger Gelehrter in der Lage wäre, den Weg zum Himmel zu lehren, wie würdet ihr ihm nachlaufen! Und wäre es in schwer verständlichen Worten, mit lateinischen und griechischen Brocken, dann um so besser.
Aber es ist ein einfaches Evangelium, das wir zu predigen haben. Es heißt nur: „Wendet euch!“
„Ach!“ sagt ihr, „ist das das Evangelium? Auf das achte ich nicht im geringsten.“ Aber warum hat euch Gott etwas so einfaches befohlen? Gerade um euren Stolz zu demütigen und um euch zu zeigen, daß Er Gott ist, und sonst keiner mehr. Seht doch, wie einfach der Heilsweg ist! Er heißt: Wendet, wendet, wendet euch! Welch kurzes Wort! Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden. Viele Gottesgelehrte brauchen Wochen, um euch zu zeigen, was ihr tun müsst, damit ihr selig werdet. Gott, der Heilige Geist, braucht dazu nur wenige Buchstaben. Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Ende. Wie einfach ist dieser Weg zur Seligkeit! Und wie schnell! Wir brauchen etwas Zeit, die Hand zu bewegen, aber den Blick auf den Heiland zu wenden, dazu bedarf es nur eines Augenblicks. Ein Sünder glaubt in einem Augenblick, und der Augenblick, in dem ein Sünder glaubt und sein Vertrauen auf den gekreuzigten Gott setzt, ihm möge vergeben werden, ist auch der Augenblick, wo er auf einmal volle Seligkeit empfangt durch Sein Blut.
Möglich, daß heute einer in diese Versammlung kam, ungerechtfertigt in seinem Gewissen. Seht, er wird gerechtfertigt hinausgehen vor anderen. Vielleicht sind einige hier, im Augenblick noch verhärtete Sünder, gerettet im nächsten Moment. Das geschieht plötzlich. Wendet, wendet, wendet euch! Und wie allumfassend ist diese Aussage! Denn wo ich nur bin, wie weit auch entfernt, es heißt eben: Wendet euch! Es heißt nicht: ich werde erst später meine Blicke auf Ihn richten können, es heißt einfach: Wendet euch!
Wenden wir unseren Blick im Dunkeln auf etwas, so können wir es zwar nicht sehen, aber wir
haben getan, was man uns gesagt hat. Und genauso rettet Jesus jeden Sünder, der nur den Blick zu ihm wendet. Denn Jesus ist in Dunkelheit so gut wie im Licht die freudige Zuversicht. Jesus ist genauso barmherzig, wenn ihr Ihn nicht seht, wie wenn ihr Ihn seht. Es heißt einfach: Wendet euch zu mir! „Ach!“ sagt jemand, „ich habe das ganze Jahr Jesus zu sehen versucht und habe Ihn nicht erblicken können.“ Es heißt ja nicht: „Erblicke Ihn“, sondern: „Wende dich zu Ihm.“ Und das heißt, daß, wer sich zu Ihm hinwendet, Erleichterung findet. Ist auch ein Hindernis vor euch, das macht nichts, schaut nur in die richtige Richtung, so genügt das. „Wendet euch zu mir!“ das bedeutet nicht so sehr das Erblicken Christi, als vielmehr das Suchen nach ihm. Der Wille zu Christus, das Sehnen nach Christus, das Glauben an Christus, das Hängen an Christus, das ist es, was verlangt wird.
Wendet, wendet, wendet euch! Ach! Wenn ein vom Schlangenbiß tödlich Verwundeter seine
erblindeten Augen der ehernen Schlange zugewendet hätte, er wäre, auch ohne sie zu sehen,
dennoch am Leben geblieben. Das Sehen, nicht das Erblicken, macht den Sünder selig. Wie sehr
demütigt dies den Menschen!
Dort ist ein Reicher, der spricht: „Ja, wenn es mich zehntausend Taler gekostet hätte, gerettet zu werden, so hätte ich nichts gesagt.“ Aber ihr Gold und Silber ist zu Unrat geworden, es nützt nichts. „Soll ich denn gerade so gerettet werden wie meine Magd?“ Ja, gerade so! Es gibt keinen anderen Weg zur Seligkeit für Sie. So wird dem Menschen gezeigt, daß der HERR Gott ist und sonst keiner mehr.
Der Weise spricht: „Wenn die allerschwierigste Aufgabe zu lösen wäre, wenn das größte Geheimnis zu entdecken gewesen wäre, so hätte ich es getan. Kann mir nicht irgend ein geheimnisvolles Evangelium geboten werden? Kann ich mich nicht an irgendeinem feierlichen Gottesdienst beteiligen?“ Nein, es heißt: „Wende dich zu mir!“ „Wie! Ich soll nicht auf eine andere Art und Weise selig werden als jener Lumpenschüler, der das ABC nicht kann?“ Ja, so müssen Sie es werden, sonst werden Sie nie gerettet werden.
Ein anderer spricht: „Ich bin stets äußerst rechtschaffen und aufrichtig gewesen. Ich habe alle
Gesetze meines Vaterlandes gehalten, und wenn noch etwas fehlt, so bin ich dazu bereit. Ich will am Freitag nur Fische essen und alle kirchlichen Festtage halten, wenn ich damit selig werden kann.“ Nein, lieber Herr, es kann Sie nicht selig machen. Ihre guten Werke sind wertlos. „Was! Ich soll auf die selbe Art selig werden wie ein Ehebrecher oder ein Trunkenbold?“ Ja, lieber Herr, es gibt nur einen Weg zur Seligkeit für uns alle. Denn Gott hat sie alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme (Röm. 11, 32). Er hat ein Verdammungsurteil gefällt über alle, damit die freie Gnade Gottes viele selig mache. Wendet, wendet, wendet euch! Dies ist der einfache Weg zur Seligkeit. Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden.
Schließlich beachtet, wie Gott den Stolz des Menschen gedemütigt hat. Er hat sich an den Personen verherrlicht, die Er zur Umkehr aufgefordert hat. „ Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Ende. “ Als der Jude den Propheten so reden hörte, rief er aus: „Ach! Du hättest sagen sollen:
Wende Dich zu mir, Jerusalem, so wirst du selig. Das wäre richtig gewesen. Sollen aber jene
heidnischen Hunde sich bekehren und selig werden?“ „Ja“, spricht Gott, „ich will euch zeigen, ihr Juden, daß ich trotz der vielen Vorrechte, die ich euch verliehen habe, trotzdem andere über euch erheben will. Ich kann mit meinem Eigentum tun, was mir gefällt.“
Nun, wer ist denn der Welt Ende? Siehe, es gibt arme, heidnische Nationen, die nur wenig von
einem rohen, ungebildeten und unwissenden Wesen entfernt sind. Wenn ich aber hingehen würde und beträte die Wüste und fände den Buschmann in seiner Höhle, oder wenn ich nach den Südseeinseln käme und fände einen Kannibalen, so würde ich zum Kannibalen oder zum Buschmann sagen: Wendet euch zu Jesu, so werdet ihr selig, aller Welt Ende. Das Evangelium ist ihnen genauso gesandt wie den kunstsinnigen Griechen, den kultivierten Römern oder den heutigen gebildeten Nationen.
Ich meine aber aller Welt Ende, das sind die, die Christus am fernsten stehen. Säufer, ich sage dir, du bist gemeint! Du bist zurückgetaumelt, bis du so recht an der Welt Ende gekommen bist. Du bist schon vom Säuferwahnsinn befallen gewesen. Du kannst nicht schlechter werden, als du schon bist. Es gibt keinen Menschen, der einen so abstoßenden Atem hat wie du. Ist es nicht so? Aber siehe! Gott will dich demütigen und spricht zu dir: Wende dich zu mir, so wirst du selig.
Dort steht eine andere, die ein Leben voller Schande und Sünde geführt und ihren eigenen Leib zu Grunde gerichtet hat, und Satan selbst möchte ihr beinahe die Türe weisen, aber Gott spricht:
„Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Ende“.
Es kommt mir vor, ich sähe einen hier zittern und sagen: „Ach! Ich bin nicht wie einer von diesen gewesen wie, lieber Herr, sondern ich bin noch viel schlechter gewesen, denn ich habe das Haus Gottes besucht und habe das Sündengefühl erdrückt und alle Gedanken an Jesus aus meinen Sinn geschlagen, und nun fürchte ich, er wird mir niemals mehr Gnade gewähren können.“ Dennoch gehörst auch du dazu. Aller Welt Ende! So lange ich einen Einzigen finde, der so fühlt, darf ich ihm sagen, er gehört auch zu aller Welt Enden.
„Aber“, spricht ein anderer, „bei mir ist es etwas Besonderes. Wenn ich nicht fühlte, was ich
wirklich fühle, so stünde alles gut. Aber ich weiß, daß ich ein ganz ungewöhnlicher Fall bin.“ Ganz richtig. Wir alle sind ungewöhnliche Leute. Nun gibst du dich zufrieden. Da kommt wieder einer und spricht: „Es gibt niemanden auf dieser Welt wie mich. Ich glaube nicht, daß Sie unter der Sonne einen Menschen finden, der so viele Gnadenerweise erfahren und sie alle verschmäht hat, keinen, auf dem so viele Sünden lasten. Und meine Schuld ist so groß, daß ich sie keinem lebenden Wesen bekennen möchte.“ Wieder einer von aller Welt Enden.
Darum kann ich nichts Besseres tun, als im Namen unseres Herrn auszurufen: Wendet euch zu mir,so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr. Aber da
antwortest du, die Sünde lasse dich nicht wenden. Ich sage dir, wende dich, so ist sofort die Sünde vergeben. „Aber ich wage es nicht. Er wird mich verdammen. Ich fürchte mich, mich zu ihm zu wenden.“ Er wird dich verdammen, wenn du dich nicht wendest. Darum fürchte dich, und wende dich zu ihm; aber hüte dich davor, daß dich die Furcht vom Hinschauen abhält. „Aber er wird mich verwerfen.“ Probiere es wenigstens!. „Aber ich kann ihn nicht erblicken.“ Ich sage dir ja, es kommt nicht auf das Sehen an, sondern auf das Hinschauen. „Aber meine Augen sind so sehr an die Erde gefesselt, so irdisch, so weltlich.“ Aber, liebe arme Seele, verstehe doch: Er gibt Kraft zum Hinwenden und zum Leben, denn Er spricht: Wendet euch zu mir, so werdet ihr selig aller Welt Enden.
Liebe Freunde, beherzigt dieses Wort wohl, ihr, die ihr den HERRN lieb habt, und auch ihr, die ihr euch jetzt zum ersten Mal zu Ihm wendet. Christ! In allen deinen Trübsalen wende dich zu Gott, so wirst du selig. In all deinen Versuchungen und Anfechtungen wende dich zu Christus, so wirst du Erlösung finden. In allen deinen Ängsten, liebe arme Seele, in all deiner Reue und Schmerz über deine Schuld, wende dich zum Heiland, so wirst du Vergebung empfangen. Denke daran, daß du deine Augen aufwärts wendest und dein Herz himmelwärts. Denke heute daran, daß du eine goldene Kette um dich gürtest, und dann wirf ein Glied derselben an den Ankerhaken im Himmel. Wende dich zu Christus. Fürchte dich nicht. Es ist kein Fehltritt möglich, wenn ein Mensch auf seinem Weg mit einem zu Christus gewendetem Blick geht. Jener Mensch, der an den Sternenhimmel hinaufschaute, fiel in den Graben, wer aber den Blick auf Christus richtet, geht sicher. Richtet eure Augen nach oben euer Leben lang. Wendet euch zu ihm, so werdet ihr selig, und bedenkt, daß Er Gott ist, und sonst keiner mehr.
Und du, armer Zitternder, was sagst du dazu? Willst du heute anfangen, dich zu ihm zu wenden? Du weißt, wie du jetzt voller Sünden bist; du weißt, wie befleckt du bist; und dennoch ist es möglich, daß Du, noch bevor Du von deinem Sitz aufstehst, und den Mittelgang der Kirche betrittst, ebenso gerechtfertigt bist wie die heiligen Apostel vor dem Thron Gottes. Es ist möglich, daß du, noch bevor du die Schwelle der Türe betrittst, von der Last befreit bist, die deine Schultern drückte, und fröhlich auf deinem Wege singst:
„Mir ist Erbarmung widerfahren,
Erbarmung, deren ich nicht wert.
Das zähl’ ich zu dem Wunderbaren,
Mein stolzes Herz hats nie begehrt.“
Und dann sprichst du: „Heute ist mein geistlicher Geburtstag.“ Ich wünschte, daß ich Vielen von euch ein Vater sein könnte, daß ich zuletzt sagen dürfte: „Hier bin ich, und die Kinder, die du mir gegeben hast.“ Höre diesen schuldbewußten Sünder! „Da dieser Elende rief, hörte der HERR, und half ihm aus allen seinen Nöten.“ Begreife und erkenne doch endlich, daß der HERR gut ist! Glaube nun an ihn. Wirf nun deiner Seele Sündenlast auf seine Gerechtigkeit. Tauche nun deine verdunkelte Seele ein in das Bad seines Bluts! Bringe nun deine nackte Seele hin zum kostbaren Kleiderschatz seiner Gerechtigkeit. Setze nun deine verschmachtende Seele zum Mahl des Überflusses. Jetzt wende dich zu ihm! Wie einfach scheint es! Und dennoch bringt man die Menschen am allerwenigsten dazu. Sie wollen nicht, bis die Gnade sie dazu zwingt. Dennoch heißt es: Wendet euch zu mir! So gehe denn von diesem Ort nicht anders weg, liebe Seele, als mit dem Gedanken:
Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr! Amen!

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