Ich war ein guter Lügner. Ich sagte zu dem Hauswirt, ich könne meine Miete nicht bezahlen, die ich ihm schon drei Monate schuldete, weil meine Mutter im Krankenhaus sei. Die Gaswerke wollten das Gas abstellen, und die Post drohte, das Telefon zu sperren. Täglich trafen Rechnungen von Lebensmittelgeschäften und Konfektionshäusern ein. Auch mein Tankwart drohte, mein Auto zu pfänden, weil ich mit meinen Zahlungen im Rückstand war.
Ich steckte hoffnungslos tief in Schulden. Gerichtsvollzieher schrieben mir böse Briefe und riefen mich sogar in dem Hotel an, in dem ich arbeitete. Ich hatte die viele Mahnerei satt. Ich hatte eine sichere Stelle als Koch in einem Luxushotel von San Francisco. So besorgte ich mir einige gute Referenzen und ging dann zu einem bekannten Kreditinstitut. Dort gab man mir ein großes Darlehen – allerdings zu einem hohen Zinssatz. Ich hatte alles genau berechnet und war sicher, dass ich es schaffen würde.
Aber mein Bardarlehen reichte noch nicht mal einen Monat. Ich hatte eine Leidenschaft – Wetten. Und so gab ich das Geld auf der Rennbahn aus. Ich setzte auf Favoriten – todsichere Pferde, aber ich gewann nur selten. Mit dem letzten Geld, das ich besaß fuhr ich nach Reno und spielte in den Casinos Karten, Würfelspiele und an Automaten. Am nächsten Tag besaß ich keinen Cent mehr.
Nachdem ich mein Bargeld verspielt hatte, fing ich an, alles was meiner Frau und mir gehörte, zu verpfänden – von der Stereoanlage bis zur Schreibmaschine. Einmal würde is schon klappen, beruhigte ich mich. Aber das geschah nie. Ich verlor nur noch mehr. Einer meiner Kollegen machte mich mit einem Buchmacher bekannt, der meine Wetten annahm. Ich verlor weiter.
Schließlich war ich so verzweifelt, dass ich zu meinem Vater ging. Ich sagte ihm meine Frau Sandra wäre krank und müsse operiert werden, es bestünde nur noch eine geringe Lebenschance. Die Operation würde 5.000 Dollar kosten. Ich wusste, dass mein Vater eine Hypothek aufnehmen könnte auf das Haus, das ihm gehörte. Meine Vater gab mir das Geld. Sofort bezahlte ich den Geldverleiher, weil er mir gedroht hatte mich zusammenzuschlagen. Von den 5.000 Dollar besaß ich noch 1.000 Dollar. Die verlor ich an einem Tag bei einem Pferderennen.
Zum ersten Mal in meinem Leben brach ich zusammen. Meine Frau und ich hielten uns in den Armen und weinten. Sandra glaubte immer noch an mich. Sie wandte sich an ihre Familie und bat sie, uns zu helfen. Von dem Geld konnten wir einen Teil der Schulden bezahlen.
Ich nahm mir fest vor, mich zu ändern. Ich wettete nicht mehr. Ich suchte kein Casino mehr auf, ich mied die Rennplätze. Stattdessen besuchte ich Treffen der „anonymen Spieler“. Sie erzählten mir aus ihrem Leben, immer wieder waren es Geschichten, in denen Spieler ein Vermögen weggeworfen und damit ihre Familie und die Verwandten in tiefe Not gestürzt hatten. Die Geschichten erinnerten mich an meine eigene Situation. Ich war überzeugt, jetzt endlich geheilt zu sein.
Aber dann geschah etwas Unvorhergesehenes: die Angestellten der meisten großen Hotels streikten. Man hatte mich als Streikposten eingesetzt. Und plötzlich war da wieder der alte Drang zu spielen. Obwohl ich nur 50 Dollar pro Woche aus unserem Gewerkschaftsstreik-Fond bekam, brachte ich das Geld wieder in die Wettbüros und verlor alles. Sandra erriet, was ich tat. Sie weinte. Aber wütend sagte ich „ich muss mich entspannen und setze nur, wenn ich einen todsicheren Tipp habe.“ Sandra sah mich hilflos an. Schließlich sagte sie: „Das halte ich nicht mehr aus; ich verlasse Dich.“ „Tu’s doch!“ sagte ich. „Mir ist es egal“. Sandra ging. Ich holte tief Atem. Ich brauchte sie nicht. Ich brauchte überhaupt niemanden. Voller Selbstmitleid dachte ich an die Ehe meiner eltern. Meine Mutter hätte meinen Vater nie so gehandelt wie Sandra mich. Schließlich war ich kein Trinker und auch kein Frauenheld. Ich hatte Sandra nie betrogen. Dass sie sich jetzt so über das wetten aufregte, war nicht richtig, machte ich mir klar. Und erbost dachte ich nur: „Soll sie doch gehen!“
Dann traf ein Brief von einem Anwalt ein. Sandra hatte die Scheidung eingereicht. Gut, dachte ich, soll sie doch ihre Freiheit haben. Es gab genug andere Frauen.
Nach einem Monat war der Streik in den Hotels behoben. Ich nahm meine Arbeit wieder auf. Aber täglich passierten mir irgendwelche Pannen, ich konnte mich nicht mehr richtig konzentrieren. Eines Tages wurde mir unvermittelt gekündigt.
Bald darauf wurde mir auch das billige Hotelzimmer, in dem ich lebte, gekündigt, weil ich die Miete nicht bezahlen konnte. Ich besaß keinen Cent mehr und war hungrig. Ich versuchte, auf der Straße zu betteln, aber die Leute sahen mich so eigenartig an. Dann ging ich zu den Aussteigertypen, die in Hinterhöfen, Torbogen und unter Brücken lebten. Ich hoffte, dort Anschluss zu finden. Ich war ein Landstreicher geworden. Ich hatte alles verloren, was ich besaß. Sogar meine Familie hatte sich von mir losgesagt, weil ich sie belogen hatte und das Geld, dass sie mir geliehen hatten, verspielt hatte. Ich war 23 Jahre alt. Ich hatte keinen Mut mehr weiterzuleben. Warum nicht einfach von der Golden Gate Bridge herunterspringen? Und so kletterte ich auf einen der kleinen Türme auf der Brücke.
„Gott vergib mir,“ sagte ich laut und fügte hinzu: „Wenn es überhaupt einen Gott gibt.“
„He, warten Sie! Springen Sie nicht!“ sagte eine tiefe Stimme von unten. Ich hatte mich weit herausgewagt auf die Brüstung. Als ich zurück in den Innenraum sah, stand ein Stückchen unter mir einer der Streifenpolizisten, die das Gelände regelmäßig kontrollieren.
„Hören Sie doch.“ sagte er, „lassen Sie uns miteinander sprechen.“
„Nein!“ sagte ich wütend, „kommen Sie nicht näher, ich werde springen.“ Begütigend sagte der Polizist: „Nichts kann so schlimm sein, dass man sich das Leben nehmen muss. Sagen Sie mir doch, was Sie belastet. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.“
„Nein, lassen Sie mich in Ruhe.“ „Kann ich nicht jemanden holen, der mit Ihnen spricht – jemanden aus ihrer Familie oder ihre Freundin?“ „Es gibt niemanden, der sich um mich Gedanken macht.“
Darauf sagte der Polizist: „Ich mache mir um Sie Gedanken.“
Unten, in der Tiefe, sah ich die Autos. Einige von ihnen hielten bereits an, um den „Springer“ zu beobachte. Jemand rief: „Los, spring doch.“ Ich starrte auf die langen, ungleichmäßigen Wellen des Wassers. Mein Leben war ein Trümmerhaufen, aber plötzlich kamen mir Zweifel. Wollte ich wirklich sterben? „Ach kommen Sie doch bitte herunter, ich helfe Ihnen – ich verspreche es. Gott liebt Sie, glauben Sie mir. Er möchte dass Sie leben.“
Plötzlich verlor ich den Dran, springen zu müssen. Ich beugte mich nach unten und naghm die Hand des Polizisten. Er half mir herunter von dem Stahlturm. Ich zitterte am ganzen Leib. Dann brachte man mich in die Psychiatrische Abteilung des nächsten Krankenhauses. Drei Tage lang beobachtete man mich. Als ich den Eindruck machte, mich wieder gefangen zu haben, entließ man mich. Ein junger Mann wartete auf dem Flur. „Erinnern Sie sich an mich?“ Ich sah ihn genau an. „Sie sind doch der Mann, der mich vom Turm heruntergeholt hat.“ „Ja. Heute ist mein freier Tag. Man hat mir gesagt, dass Sie entlassen werden. Ich dachte, dass Sie vielleicht mit mir sprechen möchten.“
Er hieß Rex Scott. Er brachte mich in ein kleines Hotel, das ein Freund seiner Familie besaß. Sie bezahlten die Miete für eine Woche im voraus für mich. Dann brachte mich Rex zur Stadtmission. Dort bekam ich etwas zu essen. Und schließlich vermittelte er mir eine Stelle in einer Cafeteria. Rex besuchte mich regelmäßig. Eines Abends erzählte er mir von seinem Glauben an Jesus Christus.
„Sie haben einen Freund, der die ganze Zeit bei Ihnen gewesen ist.“ sagte Rex.
„Das verstehe ich nicht.“
„Sein Name ist Jesus. Er will Ihnen helfen, er liebt Sie. In seinen Augen sind Sie nicht wertlos. Sie können noch einmal von vorn anfangen.“ Ich starrte ihn an. Was Rex sagte, klang nach Hoffnung, Neuanfang. Überhaupt, seit Rex sich um mich kümmerte, hatte sich schon viel verändert. Jetzt wusste ich, warum er es tat – aus Liebe zu diesem Jesus Christus. Plötzlich erfasst mich eine große Sehnsucht. Diesem Jesus wollte ich auch mein Leben übergeben.
„Was muss ich tun?“
Rex kniete nieder und ergriff meine Hand. „Bitten Sie Jesus einfach, in ihr Leben zu kommen. Sagen Sie zu ihm: Herr, sei mir Sünder gnädig“ Ich wiederholte die Worte. Tränen liefen mir über das Gesicht. Und unvermittelt erfüllte mich ein Ruhe und ein Friede den ich vorher nicht gekannt hatte. Mir war, als sei eine große Last von meinen Schultern genommen. Ich wusste plötzlich ganz genau, dass Gott mir vergeben hatte.
Dann begann ich, in der Bibel zu lesen, und ich stellte fest, wie dieser Glaube mein Leben und meine Einstellung zu den Menschen und zu meinen alten Leidenschaften veränderte.
Ich rief meine Frau an. Wir waren zwar geschieden, aber ich musste ihr erzählen, was ich erlebt hatte. Sandra kam zu mir zurück, Wir hatten festgestellt, dass wir uns noch liebten; und wir beschlossen, noch einmal von vorn anzufangen. Auch Sandra übergab ihr Leben Jesus. Inzwischen haben wir einen kleinen Sohn bekommen. Immer noch zahlen ich Schulden an meine Eltern und Gläubiger zurück. Aber ich weiß jetzt, dass mein Leben einen Sinn hat. Ich habe denen, die mich liebten, Kummer und Sorgen bereitet. Aber mein Leben ist ein Beweis dafür, dass Christus einen Menschen total verändern kann. Je mehr ich im Glauben wachse, desto mehr habe ich auch denn Mut, der Versuchung zu widerstehen. Ich bin frei von dem Drang zu spielen. Ich habe endlich festen Boden unter den Füßen.
William Cozad