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Predigt am Sonntag, 18. November 1866

METROPOLITAN TABERNACLE, NEWINGTON

„Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod.“

1 Kor. 15,26

Wie wundervoll ist unser Herr Jesus eins mit dem Menschen! Als der Psalmist David „die Himmel, die Werke der Finger Gottes“, betrachtet hatte, sprach er: „Was ist der Mensch, daß Du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, daß Du Dich seiner annimmst?“ Er sprach von Christus. Ihr hättet meinen sollen, daß Er an den Menschen in seinem niedrigsten Zustand dachte und sich wunderte, daß es Gott gefiel, ein so gebrechliches Wesen wie das arme, gefallene Adamskind, zu ehren. Ihr hättet es euch nie in den Sinn kommen lassen, daß das herrliche Evangelium in diesen Worten dankbarer Anbetung verborgen liegt. Doch sagte David im Laufe dieser Betrachtung weiter: „Du wirst Ihn zum Herrn machen über Deiner Hände Werk; alles hast Du unter seine Füße getan.“ Nun, ohne die Deutung des Heiligen Geistes würden wir immer noch denken, daß Er vom Menschen im allgemeinen spräche und von des Menschen natürlicher Herrschaft über die tierische Schöpfung; aber seht, obwohl dies wahr ist, so ist doch eine andere und viel wichtigere Wahrheit darin verborgen, denn David sprach als Prophet die ganze Zeit über hauptsächlich von dem Menschen der Menschen, dem Mustermenschen, dem zweiten Adam, dem Haupt des neuen Menschengeschlechtes. Jesus, der Menschensohn, geehrt vom Vater, war es, von dem der Psalmist sang: „Alles hast Du unter seine Füße getan.“ Seltsam, nicht wahr, daß, wenn Er vom Menschen sprach, er notwendig auch von unserem Herrn sprechen mußte! Und doch, wenn wir es recht betrachten, ist es ganz natürlich der Wahrheit gemäß und nur merkwürdig für uns, weil wir zu oft in unserem Verstand Jesus und den Menschen als weit voneinander entfernt ansehen und Ihn zu wenig als wirklich eins mit dem Menschen betrachten.

Nun seht, wie der Apostel aus diesem Psalm auf die Notwendigkeit der Auferstehung schließt, denn wenn alles unter die Füße des Menschen Jesus Christus getan werden soll, so muß jede Form des Übels von Ihm besiegt werden und der Tod auch mit. „Er muß aber herrschen, bis Er alle seine Feinde unter seine Füße lege.“ Es muß so sein, und deshalb muß der Tod selbst zuletzt überwunden werden. So entnimmt der Apostel aus diesem einfachen Wort in dem Psalm, das wir ohne das Licht des Heiligen Geistes ganz anders verstanden hätten, die Lehre von der Auferstehung. Der Heilige Geist lehrte seinen Knecht Paulus, wie er mit feiner chemischer Scheidekunst aus einfachem Wort eine köstliche, wohlriechende Essenz destillieren könnte, die der gewöhnliche Leser nie darin vermutet hätte. Die heiligen Schriftsteller haben ihre geheimen Schubladen, ihre Schachteln in einer Schachtel, ihre verborgenen Seelen, die schlafend liegen, bis Er, der ihnen ihr geheimes Lager anwies, sie aufweckt, damit sie zu den Herzen seiner Erwählten reden. Hättet ihr die Auferstehung aus dem achten Psalm erraten können? Nein, und ihr hättet auch nicht glauben können, wenn es euch nicht gesagt wäre, daß Feuer im Kiesel, Öl im Felsen und Brot in der Erde ist, auf die wir treten. Menschliche Bücher haben gewöhnlich viel weniger in sich, als wir erwarten, aber das Buch des Herrn ist voll Überraschungen, es ist eine Lichtmasse, ein Berg voll unschätzbarer Offenbarungen. Wir wissen wenig, was in der Schrift verborgen liegt. Wir kennen die Form der heilsamen Worte, wie der Herr sie uns lehrte, und dabei wollen wir bleiben; aber es sind innere Vorratshäuser da, in die wir noch nicht hineingeblickt haben; Kammern der Offenbarung, von hellen Lampen erleuchtet, vielleicht zu hell für unsere Augen. Wenn Paulus, weil der Geist Gottes auf ihm ruhte, soviel in den Liedern Davids sehen konnte, so mag der Tag kommen, wo auch wir noch mehr in den Briefen des Paulus sehen werden und uns über uns selbst wundern, daß wir nicht besser verstanden, was der Heilige Geist zu uns durch den Apostel redete. Ich hoffe, daß wir diesmal fähig gemacht werden, tief und weit zu blicken und die erhabene Herrlichkeit unseres auferstandenen Herrn zu sehen.

Nun zu dem Text selbst: Der Tod ist ein Feind; der Tod ist ein Feind, der aufgehoben werden soll; der Tod ist ein Feind, der zuletzt aufgehoben werden soll; „der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod.“

I.

Der Tod ist ein Feind. Er wurde als Feind geboren, so, wie Haman, der Agagite, durch seine Abstammung ein Feind Israels war. Der Tod ist das Kind unsres schlimmsten Feindes, denn „die Sünde gebiert, wenn sie vollendet ist, den Tod.“ „Die Sünde ist in die Welt gekommen, und der Tod durch die Sünde.“ Nun, das, was deutlich die Frucht der Übertretung ist, kann nichts anderes als ein Feind des Menschen sein. Der Tod wurde in die Welt eingeführt an jenem trüben Tag, der unsern Fall sah; und er, der die Macht dazu hatte, ist unser Erzfeind und Verräter, der Teufel; aus beiden Gründen müssen wir ihn als den erklärten Feind des Menschen ansehen.

Der Tod ist ein Fremder in dieser Welt, er gehörte nicht in den ursprünglichen Plan der ungefallenen Schöpfung, sondern sein Eindringen stört und verdirbt das Ganze. Er ist kein Teil der Herde des großen Hirten, sondern er ist ein Wolf, der kommt, um zu töten und zu verderben. Die Geologie sagt uns, daß der Tod unter den verschiedenen Formen des Lebens von den ersten Zeitaltern der Geschichte unsres Planeten herrschte, selbst, als die Erde noch nicht zum Wohnplatz des Menschen eingerichtet war. Das kann ich glauben und doch den Tod als die Folge der Sünde betrachten. Wenn es bewiesen werden kann, daß eine solche organische Einheit zwischen dem Menschen und den niedrigeren Tieren ist, daß diese nicht gestorben wären, wenn Adam nicht gesündigt hätte, dann sehe ich in diesem Sterben vor Adam die vorhergehenden Folgen einer Sünde, die noch nicht begangen war. Wenn es durch das Verdienst Jesu ein Heil gab, ehe Er sein Sühnopfer dargebracht hatte, so finde ich es nicht schwer, anzunehmen, daß die vorhergesehene Verschuldung der Sünde den Schatten des Todes über die langen Jahrhunderte warf, die der Übertretung des Menschen vorangingen. Davon wissen wir wenig, auch ist es nicht wichtig für uns, aber sicher ist, daß, soweit es die jetzige Schöpfung betrifft, der Tod kein von Gott eingeladener Gast ist, sondern ein Eindringling, dessen Gegenwart das Fest stört. Der Mensch hieß in seiner Torheit den Satan und die Sünde willkommen, als sie sich einen Weg bahnten in das hohe Fest des Paradieses, aber er begrüßte niemals den Tod; sogar seine blinden Augen konnten in diesem Gerippe einen grausamen Feind sehen. Was der Löwe für die Herden der Ebene, was die Sichel für die Blumen des Feldes, was der Wind für die dürren Blätter des Waldes, das ist der Tod für die Menschenkinder. Sie fürchten ihn aus einem inneren Instinkt, weil ihr Gewissen ihnen sagt, daß er das Kind ihrer Sünde ist.

Der Tod wird mit Recht ein Feind genannt, denn er handelt an uns, wie es ein Feind tut. Warum kommt ein Feind, wenn nicht, um auszurotten, niederzureißen und zu zerstören? Der Tod reißt das liebliche Werk Gottes in Stücke, das Gebäude des menschlichen Körpers, so wunderbar gestaltet durch die Finger göttlicher Kunst. Indem er dieses reiche Gewebe ins Grab wirft unter die Scharen der Würmer, teilt der Tod unter seine grimmigen Heere aus „einem jeglichen Mann bunte gewebte Kleider zur Ausbeute“ (Richt. 5, 30); und sie zerreißen unbarmherzig die Beute.

Dieser Bau des menschlichen Körpers ist ein Haus, schön anzusehen, aber der Tod, der Zerstörer, verdunkelt seine Fenster, erschüttert seine Säulen, schließt seine Türen und läßt die „Stimme der Müllerin leise werden.“ Dann bücken sich alle Töchter des Gesanges und die Starken krümmen sich. Dieser Vandale schont kein Werk des Lebens, wie voll von Weisheit oder Schönheit es sei, denn er löst den silbernen Strick und zerbricht die goldene Schale. Sieh, an der Quelle ist der köstliche Eimer zertrümmert und an dem Brunnen das kunstvolle Rad zerschmettert. Der Tod ist ein wüster Eindringling ins Reich des Lebens, und wo er kommt, da fällt er jeden guten Baum, verstopft alle Wasserquellen und verdirbt jedes gute Stück Land mit Steinen. Seht einen Menschen, wenn der Tod ihn nach seinem Gefallen zugerichtet hat, was für eine Ruine ist er! Wie ist seine Schönheit zu Asche verwandelt und seine Lieblichkeit in Verwesung. Gewiß, ein Feind hat dies getan.

Blickt, meine Brüder, auf den Lauf des Todes durch alle Zeitalter und alle Lande. Welches Feld ist ohne Grab? Welche Stadt ist ohne ihren Friedhof? Wohin können wir gehen, wo wir keine Gräber finden? Wie das sandige Meeresufer bedeckt ist mit den Erdhäufchen, die der Wurm aufwirft, so bist du, o Erde, bedeckt mit jenen Rasenhügeln, unter denen die dahingeschiedenen Geschlechter der Menschen schlummern. Und du, o Meer, selbst du bist nicht ohne deine Toten! Als wenn die Erde zu voll von Leichnamen wäre und sie einander in ihren gefüllten Grüften drängten, so werden selbst in deine Höhlen, o mächtiger Ozean, die Leiber der Toten geworfen. Deine Wellen müssen von menschlichen Leichnamen verunreinigt werden und auf deinem Boden müssen die Gebeine der Erschlagenen liegen!

Unser Feind, der Tod, ist mit Feuer und Schwert, dahergezogen, um das menschliche Geschlecht zu verwüsten. Weder die Goten, noch Hunnen, noch Tartaren hätten so allgemein alles Atmende schlagen können, denn der Tod hat niemandem ein Entrinnen gestattet. Überall hat er die Freuden des Hauses zerstört und Seufzen und Schmerz hervorgerufen; in allen Ländern, wo die Sonne aufgeht, hat er die Augen der Menschen vom Weinen blind gemacht. Die Träne der Trauernden, die Wehklage der Witwen und das Jammern der Waise ist die Kriegsmusik des Todes gewesen, und er hat darin einen Siegesgesang gefunden. Die größten Eroberer sind nur die Metzger des Todes gewesen, gemietete Schlachter in seinem Schlachthaus. Der Krieg ist nichts Besseres als der Karneval des Todes, wo er seinen Raub ein wenig rascher als gewöhnlich verschlingt. Der Tod hat das Werk eines Feindes an denen von uns getan, die bis jetzt noch seinen Pfeilen entgangen sind. Die, die vor Kurzem an einem frischen Grab standen und ihr halbes Herz begruben, können sagen, was für ein Feind der Tod ist. Er nimmt den Freund von unserer Seite und das Kind von unserem Busen, und er kümmert sich nicht um unser Weinen. Er ist gefallen, der die Säule des Hauses war; sie ist fortgerissen, die der Glanz des heimischen Herdes war. Der kleine Liebling ist von der Mutter Busen genommen worden, obwohl sein Verlust ihr fast das Herz bricht; und der blühende Jüngling ist von seines Vaters Seite weggerafft, obwohl die größten Hoffnungen der Eltern dadurch vernichtet sind.

Der Tod hat kein Mitleid mit den Jungen und kein Erbarmen mit den Alten; er nimmt keine Rücksicht auf die Guten oder die Schönen. Seine Sichel mäht liebliche Blumen und schädliches Unkraut mit gleicher Schnelligkeit nieder. Er kommt in unseren Garten, tritt unsre Lilien nieder und streut unsere Rosen auf den Boden; ja, selbst die bescheidensten Blumen, die im Winkel gepflanzt sind und ihre Schönheit unter den Blättern verbergen, damit sie ungesehen erröten können, der Tod späht sogar diese aus und kümmert sich nicht um ihren Duft, sondern versengt sie mit seinem brennenden Hauch. Er ist tatsächlich dein Feind, du vaterloses Kind, das du dem mitleidslosen Sturm einer grausamen Welt ausgesetzt bist und niemanden hast, der dich schützt. Er ist dein Feind, o Witwe, denn das Licht deines Lebens ist geschwunden, und die Lust deiner Augen ist mit einem Schlag weggenommen. Er ist dein Feind, o Gatte, denn dein Haus ist verödet und deine kleinen Kinder jammern nach der Mutter, die der Tod dir raubte. Er ist unser aller Feind, denn welches Haupt einer Familie unter uns hat ihm nicht zu sagen gehabt: „Du hast mich wieder und wieder beraubt!“

Der Tod ist besonders ein Feind der Lebenden, wenn er in Gottes Haus eindringt und der Prophet und der Priester unter die Toten gezählt werden. Die Gemeinde trauert, wenn ihre reichgesegnetsten Prediger niedergestreckt werden, wenn das wachsame Auge in Finsternis sich schließt und die lehrende Zunge verstummt. Doch wie oft kämpft der Tod auf diese Weise gegen uns! Die Ernsten, die Tätigen, die Unermüdlichen werden hinweggenommen. Die Mächtigsten im Gebet, die Liebevollsten im Herzen, die Musterhaftesten im Leben, sie werden in der Mitte ihrer Arbeit hinweggerafft und lassen eine Gemeinde zurück, die sie mehr braucht wie eine Zunge sagen kann. Wenn der Herr nur droht, dem Tod zu gestatten, einen geliebten Prediger hinwegzunehmen, so sind die Seelen seiner Gemeindeglieder voller Schmerz, und sie sehen den Tod für ihren schlimmsten Feind an, während sie den Herrn bitten und flehen, ihren Prediger am Leben zu lassen.

Selbst die, die sterben, mögen wohl den Tod für ihren Feind halten; ich meine nicht jetzt, wenn sie zu ihren Sitzen emporgestiegen sind, und als entkörperte Geister den König in seiner Schönheit sehen, sondern vorher, als sich der Tod ihnen näherte. Er schien ihrem zitternden Fleisch ein Feind zu sein, denn es ist nicht in unserer Natur (ausgenommen in Augenblicken äußerster Pein oder Verirrung des Geistes oder übermäßiger Hoffnung der Herrlichkeit), den Tod zu lieben. Es war weise von unserm Schöpfer, uns so einzurichten, daß die Seele den Körper liebt und der Körper die Seele und sie wünschen, solange zusammen zu bleiben, wie sie dürfen, sonst würde keine Sorge für Selbsterhaltung da sein, und der Selbstmord würde das menschliche Geschlecht vernichten.

„Denn wer ertrüge sonst der Zeiten Spott und Geißel,
Des Mächt’gen Druck, des Stolzen Mißhandlung,
Wenn er sich selbst in Ruh’stand setzen könnte,
Mit einer Nadel bloß?“

Es ist eins der ersten Gesetze der Natur, Haut für Haut, ja, alles was der Mann hat, läßt er für sein Leben, so sind wir gestählt, um das Dasein zu kämpfen und das zu vermeiden, was es zerstören würde. Dieser nützliche Instinkt macht den Tod zum Feind, aber er hilft auch, uns von jenem Verbrechen abzuhalten, das von allen Verbrechen der Verdammnis am sichersten ist, wenn ein Mensch es eigenwillig und bei gesundem Verstand begeht; ich meine das Verbrechen des Selbstmordes. Selbst wenn der Tod zu einem guten Manne kommt, so kommt er als ein Feind, denn er ist von furchtbaren Herolden und grimmigen Vorreitern begleitet, die uns sehr in Schrecken setzen. „Das Fieber mit der Feuerstirn, die bleiche Schwindsucht; Lähmung, halb lebenswarm, Halb kalter Erdenkloß; und der Gelenke Qual, die Gicht, Des Rheumas immerwährend Nagen, der wilde Krampf; Geschwoll’ne Wassersucht; und keuchend Asthma, und Schlag, Der voll sich sättigt.“ Keines von diesen gibt dem Anblick des Todes die geringste Schönheit.

Er kommt mit Schmerzen und Leiden; er kommt mit Seufzen und Tränen. Wolken und Finsternis sind um ihn her, eine mit Staub angefüllte Atmosphäre wirkt niederdrückend auf die, denen er sich nähert, und ein kalter Wind durchschauert sie bis ins Mark. Er reitet auf dem fahlen Pferd, und wo sein Roß den Fuß niedersetzt, da wird das Land zur Wüste. Der Fußtritt jenes schrecklichen Rosses erweckt den Wurm, um die Erschlagenen zu fressen. Wenn wir andere große Wahrheiten vergessen und nur an diese furchtbaren Dinge denken, so ist der Tod der König der Schrecken für uns. Die Herzen zittern, und die Nieren beben vor ihm.

In der Tat, er ist ein Feind, denn was wird er mit unserem Leib tun? Ich weiß, er tut das, was letztendlich zu seiner Vervollkommnung führt, aber dennoch ist es das, was an sich und für jetzt uns nicht Freude, sondern Schmerz ist. Er kommt, dem Auge das Licht zu nehmen, dem Ohr das Gehör, der Zunge die Sprache, der Hand die Tätigkeit und dem Gehirn das Denken. Er kommt, einen lebendigen Menschen in eine Masse toter Fäulnis zu verwandeln und die geliebte Gestalt eines Bruders oder Freundes in einen solchen Zustand der Verwesung herunterzubringen, daß die Liebe selber ausruft: „Begrabe meinen Toten aus meinem Sichtfeld.“ (1 Mose 23, 4. Engl. Übers.) Tod, du Kind der Sünde, Christus hat dich wunderbar verwandelt, aber in dir selber bist du ein Feind, vor dem Fleisch und Blut zittert, denn es weiß, daß du der Mörder aller vom Weib Geborenen bist, dessen Durst nach menschlicher Beute das Blut von Nationen nicht löschen kann.

Wenn ihr einige Augenblicke an diesen Feind denkt, so werdet ihr einige Merkmale an ihm beachten. Er ist der allgemeine Feind aller Kinder Gottes und der Feind aller Menschen; denn wie sehr auch einige überzeugt gewesen sind, daß sie nicht sterben würden, es gibt keine Dienstentlassung in diesem Kampf; und wenn in dieser Konskription ein Mann auch der Einberufung manches Jahr entgeht, bis sein grauer Bart des Winters härtestem Frost zu trotzen scheint, doch muß der Mann von Eisen zuletzt weichen. „Es ist den Menschen gesetzt, einmal zu sterben.“ Der stärkste Mann hat kein Elixier des ewigen Lebens, mit dem er seine Jugend in dem Verfall des Alters erneuen könnte; und der reichste Fürst hat keinen Preis, mit dem er die Zerstörung bestechen könnte. Zum Grab mußt du hinuntersteigen, o gekrönter Monarch, denn Zepter und Schaufel sind verwandt. Zur Gruft mußt du niedergehen, o mächtiger Held des Krieges, denn Schwert und Spaten sind von gleichem Metall. Der Fürst ist der Bruder des Wurmes, und in demselben Hause muß er wohnen. Von unserm ganzen Geschlecht ist es wahr: „Du bist Erde und sollst zur Erde werden.“

Der Tod ist auch ein schlauer Feind, der überall lauert, selbst in den harmlosesten Dingen. Wer kann sagen, wo der Tod seinen Hinterhalt nicht legt? Er begegnet uns daheim sowohl wie draußen; am Tisch überfällt er die Menschen in ihrer Speise, und an der Quelle vergiftet er ihren Trank. Er lauert uns auf in der Straße, und er ergreift uns auf unserm Lager; er fährt auf dem Sturm im Meere daher, und er wandelt mit uns auf dem festen Lande. Wohin können wir fliehen, um dir zu entgehen, o Tod, denn von dem Gipfel der Alpen sind Menschen in ihr Grab gestürzt, und in den tiefen Schachten der Erde, wo der Bergmann hinunterfährt, das kostbare Erz zu finden, da hast du manche Hekatombe kostbaren Lebens geopfert. Der Tod ist ein schlauer Feind, und folgt mit geräuschlosem Fußtritt unsern Fersen, wenn wir am wenigsten an ihn denken.

Er ist ein Feind, den niemand von uns vermeiden kann, welche Nebenpfade wir auch einschlagen; wir können ihm nicht entgehen, wenn unsre Stunde gekommen ist. In dieses Vogelstellers Netz werden wir, wie Vögel, alle fliegen; in seinem großen Schlagnetze müssen alle Fische dieser großen See des Lebens gefangen werden, wenn ihr Tag gekommen ist. So gewiß wie die Sonne niedergeht und wie die Mitternachtssterne am Ende unter den Horizont hinabsteigen, und die Wellen ins Meer zurücksinken und die Wasserblase zerspringt, so gewiß müssen wir alle früher oder später zu unserm Ende kommen und von der Erde verschwinden, um unter den Lebenden nicht mehr gekannt zu werden. Plötzlich auch sind oft genug die Angriffe dieses Feindes.

„Zum Fallen haben Blätter ihre Zeit,
Zum Welken Blumen, vor des Nordwinds Weh’n,
Des Himmels Sterne, wann sie untergeh’n;
Doch dein, o Tod, dein ist jedwede Zeit.“

Es ist geschehen, daß Menschen sterben ohne eines Augenblickes Warnung; mit einem Psalm auf den Lippen sind sie hinübergegangen; oder mitten in ihrem täglichen Geschäft sind sie vors Gericht berufen, um ihre Rechnung abzulegen. Wir haben von einem gehört, der, als die Morgenzeitung ihm die Nachricht brachte, daß ein Geschäftsfreund gestorben sei, seine Stiefel anzog, um auf sein Kontor zu gehen und lachend die Bemerkung machte, er hätte so viel zu tun, er hätte keine Zeit zum Sterben. Doch, ehe die Worte noch beendet waren, fiel er hin und war eine Leiche. Plötzliche Todesfälle sind nicht zu ungewöhnlich, daß wir uns darüber wundern, wenn wir im Mittelpunkt eines großen Kreises von Menschen leben. So ist der Tod ein Feind, der nicht verachtet oder geringgeschätzt werden darf. Laßt uns aller seiner Eigenschaften gedenken, und wir werden nicht geneigt sein, es leicht mit dem grimmigen Feinde zu nehmen, den unser glorreicher Erlöser besiegt hat.

II.

Der Tod ist ein Feind, der aufgehoben werden soll. Gedenkt daran, daß unser Herr Jesus Christus schon einen großen Sieg über den Tod errungen hat, so daß Er uns von lebenslanger Knechtschaft durch die Furcht desselben befreit hat. Er hat noch nicht den Tod aufgehoben, aber Er ist dem sehr nahe gekommen, denn es wird uns gesagt, daß Er „dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“ Dies kommt der gänzlichen Aufhebung des Todes sehr nahe.

Zuerst hat unser Herr den Tod in seiner schlimmsten Gestalt besiegt, indem Er sein Volk vom geistlichen Tode befreite. „Und euch hat Er lebendig gemacht, da ihr tot waret durch Übertretung und Sünden.“ Einst hattet ihr keinerlei göttliches Leben, sondern der Tod eures angeborenen Verderbens blieb auf euch, und so waret ihr tot für alle göttlichen und geistlichen Dinge; aber jetzt, Geliebte, hat der Geist Gottes, derselbe, der Jesum Christum von den Toten auferweckte, euch zu einem neuen Leben erweckt, und ihr seid neue Kreaturen in Christo Jesu. In diesem Sinne ist der Tod überwunden. Unser Herr hat bei seinem Leben auch den Tod besiegt, indem Er einige wieder ins Leben zurückrief. Es waren drei merkwürdige Fälle, wo auf sein Geheiß jener letzte Feind seinen Raub zurückgab. Unser Herr ging in des Obersten Haus und sah das kleine Mädchen, das eben erst im Tode entschlafen war, um das herum sie weinten und wehklagten; Er hörte ihr höhnendes Lachen, als Er sprach: „Sie ist nicht tot, sondern sie schläft,“ und trieb sie alle hinaus und sprach: „Mägdlein, stehe auf!“ Da wurde der Räuber beraubt und die Kerkertür geöffnet. Er hieß den Leichenzug an Nains Toren stillstehen, als sie einen Jüngling hinaustrugen, „der ein einiger Sohn war seiner Mutter, und sie war eine Witwe,“ und Er sprach: „Jüngling, ich sage dir, stehe auf.“ Als dieser Tote sich aufrichtete, und unser Herr ihn seiner Mutter gab, da war wiederum dem Mächtigen der Raub genommen. Und vor allem, als Lazarus solange im Grabe gelegen hatte, daß seine Schwester sagte: „Herr, er stinkt schon,“ und als da, gehorsam dem Wort: „Lazarus, komme heraus!“ der Auferstandene herauskam, noch mit seinen Grabgewändern angetan, aber doch wirklich lebendig gemacht, da wurde es gesehen, daß der Tod dem Menschensohn untertan war. „Löst ihn auf, und laßt ihn gehen,“ sagte der Sieger, und die Bande des Todes wurden abgetan, denn der rechtmäßig Gefangene war befreit. Als bei des Erlösers Auferstehung viele der Heiligen erstanden und aus ihren Gräbern in die heilige Stadt kamen, da wurde der gekreuzigte Herr als Sieger über Tod und Grab verkündet.

Doch, Brüder, dies waren nur Vorgefechte und bloße Vorboten des großen Sieges, durch den der Tod überwunden wurde. Der wirkliche Triumph wurde am Kreuze vollendet:

„Sein Kampf ist unser Sieg,
Sein Tod ist unser Leben,
In seinen Banden ist
Die Freiheit uns gegeben.“

Als Christus starb, erlitt Er die Strafe des Todes für sein ganzes Volk, und deshalb stirbt nun kein Gläubiger zur Strafe für die Sünde, da wir nicht wähnen dürfen, daß ein gerechter Gott zweimal die Strafe fordern würde für eine Sünde. Der Tod ist, seit Christus gestorben, keine Strafe, die den Kindern Gottes auferlegt wird; als solche hat er ihn abgetan, und er kann nicht wieder aufgezwungen werden.

Warum sterben die Heiligen denn? Nun, weil ihre Körper verwandelt werden müssen, ehe sie in den Himmel eingehen können. „Fleisch und Blut,“ wie diese sind, „kann nicht das Reich Gottes erben.“ Eine göttliche Verwandlung muß mit dem Körper vorgehen, ehe er für Unverweslichkeit und Herrlichkeit sich eignet; und Tod und Grab sind sozusagen der Schmelztiegel und Feuerofen, durch welche der Körper für die künftige Seligkeit bereitet wird. Tod, es ist wahr, du bist noch nicht zerstört, aber unser lebender Erlöser hat dich so verwandelt, daß du nicht länger Tod bist, sondern etwas andres als dein Name! Die Heiligen sterben jetzt nicht, sondern werden aufgelöst und scheiden. Der Tod ist das Lösen des Kabels, damit die Barke ungehindert zum schönen Hafen segeln kann. Der Tod ist der feurige Wagen, in dem wir zu Gott hinauffahren; er ist die sanfte Stimme des großen Königs, der zu seinem Gastmahl kommt und spricht: „Freund, rücke höher hinauf.“ Sieh’, auf des Adlers Flügel schwingen wir uns hinauf, wir fliegen weit über dieses Land der Nebel und der Wolken, in die ewige Heitere und Helle des Hauses Gottes dort droben. Ja, unser Herr hat den Tod aufgehoben. Der Stachel des Todes ist die Sünde, und unser großer Stellvertreter hat diesen Stachel hinweggenommen durch sein großes Opfer. Stachellos bleibt der Tod unter den Kindern Gottes zurück, aber er tut ihnen so wenig Schaden, daß für sie es „nicht Tod ist, zu sterben.“

Ferner, Christus besiegte den Tod und überwand ihn gänzlich, als Er auferstand. Was für eine Versuchung ist es, ein Bild der Auferstehung zu malen, aber ich will nicht mehr als ein paar Striche versuchen. Als unser großer Vorkämpfer aus seinem kurzen Todesschlummer erwachte und sich in dem abgelegenen Grabeszimmer fand, da schritt Er ruhig dazu, seine Leichengewänder abzunehmen. Mit wieviel Muße verfuhr Er! Er wickelte das Schweißtuch ein und legte es beiseite, damit die, welche ihre Freunde verlieren, ihre Augen damit trocknen könnten; und dann nahm Er die Linnen ab und legte die Grabgewänder auch für sich, daß sie da wären, wenn seine Heiligen dahin kämen, damit sie die Kammer wohl versehen und das Lager mit Linnen belegt und zu ihrer Ruhe bereit fänden. Das Grab ist nicht mehr ein leeres Gewölbe, ein trauriges Beinhaus, sondern eine Ruhekammer, ein Schlafgemach, das bereitet und ausgestattet ist und behängt mit den Linnen, die Christus selber hinterlassen hat. Es ist nicht mehr ein feuchter, dunkler, trauriger Kerker: Jesus hat all’ das verwandelt. Es ist jetzt

„Die Stätt’, wo Engel geh’n und kommen
Mit Himmelsbotschaft für die Frommen.“

Der Engel vom Himmel wälzte den Stein von unseres Herrn Grab hinweg und ließ frische Luft und. Licht hinein auf unsern Herrn, und Er trat hervor, mehr denn ein Sieger. Der Tod war entflohen. Das Grab hatte sich ergeben. „O Tod, wo ist dein Stachel nun? Wo ist dein Sieg, o Hölle? Was kann uns nun der Teufel tun, Wie grausam er sich stelle?“

Wohlan, Brüder, so gewiß Christus auferstand, so gewiß verbürgte Er als völlige Gewißheit die Auferstehung der Leiber aller seiner Heiligen zu einem herrlichen Leben, während das Leben ihrer Seelen nie einen Augenblick aufhört. Hierin besiegte Er den Tod; und seit jenem denkwürdigen Siege überwindet Christus jeden Tag den Tod, denn Er gibt den Heiligen seinen Geist, und wenn sie diesen haben, so gehen sie dem letzten Feind ohne Schrecken entgegen; oft stehen sie ihm gegenüber mit Gesang, noch öfter vielleicht sehen sie ihm mit ruhigem Blick ins Antlitz und entschlafen in Frieden. Ich will dich nicht fürchten, Tod, warum sollte ich? Du siehst aus wie ein Drache, aber dein Stachel ist hinweg. Deine Zähne sind ausgebrochen, alter Löwe, warum soll ich dich fürchten? Ich weiß, du bist nicht mehr imstande, mich zu verderben, sondern du bist gesandt als ein Bote, mich zu der goldenen Pforte zu führen, durch die ich eingehen soll und meines Heilandes Antlitz auf ewig ohne Hülle schauen. Sterbende Heilige haben oft gesagt, daß ihr letztes Bett das beste sei, auf dem sie je geschlafen. Viele von ihnen haben gefragt: „Sag’ mir, o Seel’, ist dies der Tod?“

Sterben ist etwas so ganz andres gewesen, als sie gedacht, so licht und freudig; sie sind so aller Sorge entbürdet gewesen, haben sich so leicht gefühlt, anstatt belastet, daß sie sich gewundert haben, daß dies das Ungeheuer sei, welches sie ihr Leben lang gefürchtet. Sie finden es einen Nadelstich, während sie gefürchtet hatten, es würde ein Schwertstreich sein; es ist das Schließen des Auges auf Erden und das Öffnen desselben im Himmel, während sie meinten, es würde eine Folterbank sein oder ein trauriger Weg durch eine furchtbare Region der Dunkelheit und des Schreckens. Geliebte, unser erhöhter Herr hat den Tod auf alle diese Weise überwunden.

Aber nun bemerkt, daß dies nicht unser Text ist, der spricht, von etwas, was noch getan werden soll. Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod, so daß der Tod in dem Sinne, wie der Text ihn meint, noch nicht aufgehoben ist. Er soll aufgehoben werden, und wie wird das geschehen? Wohl, ich meine, der Tod wird aufgehoben werden, zuerst in dem Sinne, daß beim Kommen Christi die, welche leben und übrig bleiben, den Tod nicht sehen sollen. Sie werden verwandelt werden; es muß eine Verwandlung selbst mit den Lebenden geschehen, ehe sie das ewige Leben ererben können, aber sie werden nicht wirklich sterben. Beneidet sie nicht, denn sie werden keinen Vorzug haben vor denen, die da schlafen; ich halte eher ihr Los in mancher Hinsicht für ein geringeres. Doch sie werden den Tod nicht kennen; die Menge der Lebenden, die des Herrn sind bei seinem Kommen, werden in die Herrlichkeit hinübergehen, ohne daß sie nötig haben, zu sterben. So wird der Tod, soweit es sie betrifft, aufgehoben werden. Aber die Schlafenden, die Myriaden, die ihr Fleisch und Blut zurückgelassen, um wieder zu Erde zu werden, auch für diese soll der Tod aufgehoben werden, denn wenn die Posaune erschallt, sollen sie aus dem Grabe erstehen. Die Auferstehung ist die Zerstörung des Todes. Wir lehrten nie und glaubten und meinten auch nie, daß jedes Teilchen jedes Leibes, der ins Grab gelegt wird, zu den andern Teilchen kommen würde, und daß durchaus ganz dieselbe Materie erstehen würde; aber wir sagen, daß derselbe Leib erstehen wird, und daß, so gewiß aus der Erde der Same kommt, der hinein gelegt wurde, obgleich in sehr verschiedener Gestalt, denn er kommt nicht als Same hervor, sondern als Blume, so gewiß wird derselbe Leib wiederum auferstehen. Derselbe Stoff ist nicht notwendig, aber aus dem Grabe soll hervor kommen, ja, aus der Erde, wenn er nie ein Grab sah, oder aus dem Meer, wenn er von Ungeheuern verschlungen wurde, -in wahrer Identität, der hienieden von der Seele bewohnt wurde. War es nicht so mit unserm Herrn? Ebenso soll es mit den Seinen sein, und dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: „Der Tod ist verschlungen in dem Sieg. O Tod, wo ist dein Stachel! O Grab, wo ist dein Sieg!“

Es wird auch noch dieses bei dem Siege unseres Herrn zu bemerken sein, daß der Tod völlig aufgehoben wird, weil die, welche auferstehen, keinen Schaden davon haben werden, daß sie gestorben sind. Ich glaube, daß an diesen neuen Körpern keine Spuren der Schwachheit des Alters, keine Zeichen langer und ermattender Krankheit, keine Male des Märtyrertums sein werden. Der Tod wird kein Zeichen an ihnen zurücklassen, ausgenommen ein Ehrenzeichen, das zu ihrem Ruhme dienen wird, wie die Male in dem Fleisch des Heilandes, die seine Hauptschönheit sind schon jetzt in den Augen derer, für welche seine Hände und Füße durchbohrt sind. In diesem Sinne wird der Tod aufgehoben werden, weil er den Heiligen gar kein Leid zugefügt haben wird, jede Spur der Verwesung soll von den Erlösten hinweg genommen werden. Und dann endlich, es soll nach dieser Posaune des Herrn kein Tod mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, denn das Erste ist vergangen. „Und wissen, daß Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod wird hinfort über Ihn nicht herrschen;“ und so sterben auch seine Erweckten, seine Erlösten, hinfort nicht mehr. O, furchtbare, furchtbare Voraussetzung, daß sie je Versuchung oder Schmerz oder Tod ein zweites Mal zu erleiden hätten! Es kann nicht sein. „Ich lebe,“ spricht Christus, „und ihr sollt auch leben.“ Doch, da die Lehre von der natürlichen Unsterblichkeit der Seele von einigen aufgegeben ist, so haben manche unter ihnen sich gezwungen gefühlt, mit der Ewigkeit der künftigen Strafe auch die Ewigkeit der künftigen Seligkeit aufzugeben, und gewiß, soweit es einige große Beweisstellen betrifft, beides steht oder fällt zusammen. „Und sie werden in die ewige Pein gehen; aber die Gerechten in das ewige Leben;“ wenn der eine Zustand kurz ist, so muß es der andre auch sein; was immer das Beiwort bedeutet in dem einen Fall, das bedeutet es in dem andern. Für uns bedeutet das Wort endlose Dauer in beiden Fällen, und wir blicken vorwärts auf eine Seligkeit, die niemals ein Ende nehmen wird. Dort in dem tränenlosen, schmerzlosen, grablosen Lande wird der Tod gänzlich aufgehoben sein.

III.

Und nun zuletzt von allem, und das Wort „zuletzt“ klingt hier sehr passend, der Tod soll zuletzt aufgehoben werden. Weil er zuletzt herein kam, muß er zuletzt hinausgehen. Der Tod war nicht der erste unsrer Feinde; zuerst kam der Teufel, dann die Sünde, dann der Tod. Der Tod ist nicht der schlimmste der Feinde; der Tod ist ein Feind, aber er ist unsern andern Gegnern weit vorzuziehen. Es wäre besser, tausendmal zu sterben, als zu sündigen. Von dem Tode geprüft zu werden, ist nichts im Vergleich mit der Versuchung durch den Teufel. Die bloß leiblichen Schmerzen, die mit der Auflösung verbunden sind, sind Kleinigkeiten, verglichen mit dem gräßlichen Schmerz, der durch die Sünde verursacht wird, und der Last, welche das Bewußtsein der Schuld auf die Seele legt. Nein, der Tod ist nur ein untergeordnetes Übel, verglichen mit der Verunreinigung durch die Sünde. Laßt die großen Feinde zuerst niedergeworfen werden; schlagt den Hirten, und die Schafe werden sich zerstreuen; laßt die Sünde und den Satan, den Herrn aller dieser Übel, zuerst geschlagen werden, der Tod kann wohl bis zuletzt übrig bleiben. Bemerkt, daß der Tod der letzte Feind ist für jeden einzelnen Christen, und der letzte, der aufgehoben werden soll. Nun wohl, wenn das Wort Gottes sagt, er ist der letzte, so möchte ich euch an ein kleines Stück praktischer Weisheit erinnern, – laßt ihn bis zuletzt. Bruder, streite nicht gegen die bestimmte Ordnung, sondern laß den Letzten den Letzten sein. Ich habe einen Bruder gekannt, der den Tod besiegen wollte, lange ehe er starb. Aber, Bruder, du brauchst keine Todesgnade vor der Todesstunde. Was würde dir die Todesgnade nützen, solange du lebst? Ein Boot hast du nur nötig, wenn du den Strom erreichst. Bitte um Gnade zum Leben, und verkläre Christum darin, dann sollst du Todesgnade haben, wenn die Todeszeit kommt. Dein Feind wird aufgehoben werden, aber nicht heute. Es ist ein großes Heer von Feinden, mit dem du heute fechten mußt, und du kannst zufrieden sein, diesen einen noch eine Weile in Ruhe zu lassen. Dieser Feind wird aufgehoben werden, aber wir wissen nicht die Zeit und Stunde, wann? unsre Weisheit ist, gute Krieger Jesu Christi. zu sein, wie die Pflicht des Tages es erfordert. Nimm deine Leiden, wie sie kommen, Bruder! Wie die Feinde aufmarschieren, so schlage sie, Reihe nach Reihe; aber wenn du nicht im Namen Gottes die vordersten Reihen schlägst, sondern sagst: „Nein, ich fürchte nur die hintersten Reihen,“ dann handelst du wie ein Narr. Laß den Zusammenstoß der Waffen, bis der letzte Gegner vorrückt, und behaupte mittlerweile deinen Platz im Kampfe. Gott will zu seiner Zeit dir helfen, den letzten Feind zu überwinden, aber mittlerweile sieh’ zu, daß du den Teufel, die Welt und das Fleisch überwindest. Wenn du wohl lebst, so wirst du wohl sterben. Derselbe Bund, in welchem der Herr Jesus dir Leben gibt, enthält auch die Gewährung des Todes, denn: „Alles ist euer, es sei das Leben oder der Tod, es sei das Gegenwärtige oder das Zukünftige, alles ist euer. Ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes.“ Warum ist der Tod bis zuletzt gelassen? Nun, ich denke, weil Christus ihn gut gebrauchen kann. Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod, weil der Tod große Dienste tut, ehe er vernichtet wird. O, was für Lektionen haben einige von uns vom Tode gelernt! „Unsere sterbenden Freunde kommen über uns wie eine Wolke, unsre hirnlose Hitze zu dämpfen;“ um uns fühlen zu lassen, daß diese armen, vergänglichen Spielwerke nicht der Mühe wert sind, dafür zu leben; daß, wie andre dahingehen, wir auch gehen müssen, und so helfen sie uns, diese Welt geringschätzen und treiben uns an, Flügel zu nehmen und zu der zukünftigen Welt aufzusteigen. Es gibt vielleicht keine Predigten gleich den Sterbebetten in unsern Häusern; das Abscheiden unsrer geliebten Freunde ist uns eine ernste Predigt der göttlichen Weisheit gewesen, die unser Herz nicht umhin konnte, zu hören. Christus hat so den Tod noch geschont, um ihn zu einem Prediger für seine Heiligen zu machen.

Und ihr wißt, Brüder, wenn kein Tod gewesen wäre, so hätten die Heiligen Gottes nicht die Gelegenheit gehabt, die höchste Inbrunst ihrer Liebe kund zu tun. Wo hat die Liebe zu Christo am meisten triumphiert? Nun, in dem Tode der Märtyrer auf dem Scheiterhaufen oder der Folterbank. O Christus, Dir sind nie solche Blumengewinde geflochten von menschlicher Hand, als jene Dir gebracht, die zum Himmel gingen aus den Wäldern der Verfolgung und durch Ströme Blutes wateten! Durch den Tod für Christum haben die Heiligen Ihn am meisten verherrlicht. So ist es in ihrem Maße auch mit den Heiligen, die eines gewöhnlichen Todes sterben; sie würden keine solche Probe für den Glauben und kein solches Werk für die Geduld haben, wie jetzt, wenn es keinen Tod gäbe. Der Grund, warum diese Zeit des Neuen Bundes noch immer fortdauert, ist zum Teil dieser, daß der Christ Gottes verherrlicht werde; aber wenn die Gläubigen niemals stürben, so wäre die höchste Vollendung des Glaubenssieges unbekannt. Brüder, wenn ich sterben dürfte, wie ich einige unsrer Gemeindeglieder habe sterben sehen, so möchte ich die große Stunde herbeiwünschen. Ich wollte nicht wünschen, dem Tod auf irgend einem Nebenwege zu entfliehen, wenn ich singen dürfte, wie sie sangen. Wenn solche Hosiannas und Hallelujas in meinen Augen strahlen dürften, wie ich sie bei ihnen gesehen und auch gehört habe, so wäre es für mich ein seliges Ding, zu sterben. Ja, als höchste Probe der Liebe und des Glaubens mag der Tod wohl noch einige Zeit geduldet werden, um die Heiligen ihren Herrn verherrlichen zu lassen. Außerdem, Brüder, würden wir ohne den Tod Christo nicht so gleich sein, wie wir es sind, wenn wir in Ihm entschlafen. Wenn es irgend welche Eifersucht im Himmel unter den Heiligen geben könnte, mich dünkt, einer der Heiligen, die nicht sterben, sondern verwandelt werden, wenn Christus kommt, könnte beinahe zu euch und mir, die wir wahrscheinlich sterben werden, sagen: „Mein Bruder, es ist eins, was ich nicht gehabt: ich lag nie im Grabe, ich fühlte nie die kalte Hand des Todes sich auf mich legen und wurde in diesem meinem Herrn nicht gleich. Aber ihr wißt, was es ist, Gemeinschaft mit Ihm haben, selbst in seinem Tode.“ Sagte ich nicht mit Recht, daß die, welche leben und überbleiben, keinen Vorzug vor den Entschlafenen haben würden? Mich dünkt, der Vorzug, wenn einer da ist, wird unser sein, die in Jesu schlafen und zu seinem Bilde erwachen.

Der Tod, liebe Freunde, ist noch nicht aufgehoben, weil er die Heiligen heim bringt. Er kommt nur zu ihnen, flüstert seine Botschaft, und in einem Augenblick sind sie in die Seligkeit entrückt, und

„Schmerz, Seufzen, Leid, Tod und dergleichen,
Muß flieh’n und ewig von uns weichen.“

Und deshalb ist der Tod noch nicht aufgehoben, weil er nützliche Zwecke erfüllt. Aber, Geliebte, er soll vernichtet werden. Er ist der letzte Feind der Kirche als Gesamtheit. Die Kirche als ein Ganzes hat mit einer Menge von Feinden zu streiten, aber nach der Auferstehung werden wir sagen: „Dies ist der letzte Feind. Kein andrer Gegner ist übrig.“ Die Ewigkeit wird in unaufhörlicher Seligkeit dahinrollen. Es mögen Veränderungen sein, die neue Wonnen bringen; vielleicht werden in der künftigen Ewigkeit Zeitalter und Äonen von noch staunenswerterer Herrlichkeit sein und noch höherer Seligkeit, aber

„Forthin erwartet sie kein Leiden,
Kein Schmerz und keine Schwachheit mehr.“

Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod, und wenn der letzte geschlagen ist, so kann es keinen künftigen Gegner mehr geben. Der Kampf ist gefochten und der Sieg auf ewig gewonnen. Und wer hat ihn gewonnen? Wer als das Lamm, das auf dem Thron sitzt, dem wir alle Ehre, Ruhm, Majestät, Macht, Herrschaft und Gewalt geben wollen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der Herr helfe uns in unsrer feierlichen Anbetung. Amen.

 

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