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Spurgeon, Charles Haddon
Der fleischliche Sinn – eine Feindschaft wider Gott. „Fleischlich gesinnet sein, ist eine Feindschaft wider Gott,“ Röm. 8,7.
Es ist eine sehr ernste Anklage, welche der Apostel Paulus hier wider den fleischlichen Sinn erhebt. Er erklärt, er sei „eine Feindschaft wider Gott.“ Wenn wir bedenken, was der Mensch einst war, daß er im Rang nur den Engeln nachstand, und der Höchste sich herabließ, in der Kühle des Abends mit ihm im Garten Eden zu wandeln; wenn wir erwägen, daß er zum Bilde seines Gottes geschaffen worden – rein, fleckenlos und ohne Tadel – kann es uns nur schmerzlich berühren, wenn eine Anklage wie diese wider unser ganzes Geschlecht erhoben wird. Wohl mögen wir unsere Harfen an die Weiden hängen, wenn wir auf die Stimme Jehovah’s hören, der feierlich zu Seinem ungehorsamen Geschöpfe spricht: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern!“ „Du warst im Lustgarten Gottes, und mit allerlei Edelsteinen geschmückt – am Tage, da du geschaffen wurdest, mußten da bereit sein bei dir dein Paukenwerk und Pfeifen. Du bist wie ein Cherub, der sich weit ausbreitet und deckt; und ich habe dich auf den heiligen Berg Gottes gesetzt, daß du unter den feurigen Steinen wandelst. Und warst ohne Wandel in deinem Thun des Tages, da du geschaffen wurdest, so lange bis sich deine Missethat gefunden hat, und hast dich versündigt; darum will ich dich entheiligen von dem Berge Gottes, und will dich, ausgebreiteten Cherub, aus den feurigen Steinen verstoßen.“
Wir haben Grund genug, traurig gestimmt zu werden, wenn wir den Verfall unseres Geschlechtes ansehen. Wie der Carthagineser, so oft er den Ort betrat, wo einst seine geliebte Stadt gestanden, bei dem Gedanken an ihre Zerstörung durch die Römer Thränen vergoß; oder wie der Jude, wenn er durch die öden Straßen Jerusalems wanderte, zu jammern pflegte, daß die Pflugschaar der Pracht und Herrlichkeit einer Stadt ein Ende gemacht hatte, die des ganzen Landes Lust gewesen war: so sollten wir über uns selbst und unser Geschlecht trauern, wenn wir die Ruinen jenes herrlichen Baues betrachten, welchen Gott erbauet hatte – jenes Geschöpfes, dem an Schönheit des Ebenmaßes kein anderes gleichkommt; das an Verstand nur den Engeln nachsteht – jenes mächtigen Wesens, des Menschen; wenn wir sehen müssen, wie es zu Falle gekommen und der Tod ihm in Mark und Bein eingedrungen ist. Vor einigen Jahren wurde ein Stern gesehen, der einen starken Glanz verbreitete, doch bald verschwand. Es ist seither behauptet worden, es sei eine im Feuer aufgehende Welt gewesen, taufende von Millionen Meilen von uns entfernt, und doch haben die Strahlen des Brandes uns erreicht; der stille Bote des Lichts setzte die entfernten Bewohner unseres Erdballs durch den Ruf in Unruhe: „Eine Welt brennt, eine Welt brennt!“ Doch was ist der Brand eines entfernten Planeten, was ist die Zerstörung des bloßen Materials des größten Weltkörpers, verglichen mit diesem Fall der Menschheit, diesem Schiffbruch alles dessen, was heilig und gerecht in uns ist? Für uns lassen sich in der That die beiden Sachen kaum vergleichen, da wir wohl bei der einen, doch nicht bei der andern betheiligt sind. Adams Fall war unser Fall; wir sielen in und mit ihm; wir haben gleichermaßen gelitten; wir beklagen den Verfall unseres eigenen Hanfes; wir betrauern die Zerstörung unserer eigenen Stadt, wenn wir dastehen und in Worten, die zu deutlich sind, als daß wir ihre Bedeutung nicht verstehen könnten, es geschrieben lesen: Der fleischliche Sinn – derselbe Sinn, der einst Heiligkeit war, und jetzt fleischlich geworden ist – „ist eine Feindschaft wider Gott.“
Möge Gott mir diesen Morgen Gnade geben, diese Anklage feierlich gegen euch Alle zu erheben. O daß der heilige Geist uns so von der Sünde überzeugen möchte, daß wir einstimmig uns vor Gott für „Schuldig“ bekennen würden.
Es ist nicht schwer, meinen Text zu verstehen; er bedarf kaum einer Erklärung. Wir Alle wissen, was wir unter fleischlichem Sinn hier zu verstehen haben: den natürlichen Sinn nämlich, die Seele, welche wir von unfern Vätern ererben, das, was in uns geboren wurde, als unsere Leiber von Gott gestaltet wurden. Dieser fleischliche Sinn – die Lust, die Leidenschaften der Seele – er ist von Gott  abgewichen, und Feindschaft wider Ihn geworden.
Doch ehe wir zur Erklärung unseres Textes schreiten, bemerket, was für eine starke Sprache der Apostel hier führt. „Fleischlich gesinnet sein,“ oder der fleischliche Sinn, sagt er, „ist eine Feindschaft wider Gott.“ Er gebraucht ein Hauptwort und nicht ein Beiwort. Er sagt nicht, er sei Gott bloß zuwider, sondern er ist wirkliche Feindschaft. Er ist nicht schwarz, sondern Schwärze; er ist nicht feindselig, sondern Feindschaft selbst; er ist nicht verdorben, sondern Verderbniß; er ist nicht widerspenstig, sondern Widerspenstigkeit; er ist nicht gottlos, sondern Gottlosigkeit selbst. Das Herz, obgleich trotzig und verzagt, ist wirklich Trotz und Verzagtheit; es ist ein Uebel, das Form und Gestalt angenommen – es ist Sünde im Wesen; es ist der Sitz, der Sammelplatz alles Schlechten; es ist nicht neidisch auf Gott, es ist Neid; es ist nicht feindselig, es ist wirkliche Feindschaft.
Auch brauchen wir uns nicht weiter darüber zu verbreiten, daß der fleischliche Sinn eine Feindschaft wider Gott ist. Unser Text beschuldigt die Menschen nicht blos einer Abneigung gegen die Herrschaft, die Gesetze oder Lehren Jehova’s, sondern weiß uns sicherer und schwerer zu treffen. Er schlägt den Menschen nicht auf den Kopf – er dringt in sein Herz hinein; er legt die Art an die Wurzel des Baumes, und erklärt, er sei „eine Feindschaft wider Gott,“ wider die Person der Gottheit, wider den Dreieinigen, wider den mächtigen Schöpfer dieser Welt; er sagt nicht, er hege Feindschaft wider Seine Bibel oder Sein Evangelium, obgleich das wahr wäre, sondern wider Gott selbst – wider Sein Wesen, Sein Dasein, Seine Person. Laßt uns denn die Worte unseres Textes wohl erwägen, denn es sind ernste Worte. Jener beredte Apostel, Paulus, hat sie meisterlich an einander gereiht, und überdieß hat sie der heilige Geist eingegeben, der allein das Band unserer Zunge zu lösen vermag. Möge Er uns Gnade geben, die Stelle zu verdolmetschen, wie Er uns schon geholfen, sie zu erläutern.
Wir werden uns diesen Morgen zuerst von der Wahrheit dieser Behauptung zu überzeugen haben; zweitens von der Allgemeinheit des Nebels, worüber hier geklagt wird; sodann wollen wir drittens noch tiefer in den Gegenstand eingehen und ihn euren Herzen nahe legen, indem wir euch die Abscheulichkeit des Nebels zeigen, und hernach, wenn es die Zeit erlaubt, wollen wir einige Lehren aus dieser allgemeinen Thatsache ziehen.

I.
Wir haben zuerst von der Wahrheit der wichtigen Behauptung zu reden, daß „fleischlich gesinnet sein eine Feindschaft wider Gott ist.“ Es bedarf dich keines Beweises; denn da es in Gottes Wort steht, haben wir uns als Christen davor zu beugen. Die Worte der Schrift sind Worte unendlicher Weisheit, und wenn die Vernunft nicht auf den Grund einer Behauptung der Offenbarung sehen kann, ist sie verbunden, sie in tiefster Ehrfurcht zu glauben, da wir ja wohl wissen, daß, sollte sie auch über unsere Vernunft geben, sie nicht dawider sein kann. Hier finde ich in der Schrift geschrieben: „Fleischlich gesinnet sein, ist eine Feindschaft wider Gott;“ und das ist schon an sich selbst genug für mich. Doch wenn ich Zeugen bedürfte, würde ich die Völker des Alterthums mheraufbeschwören; würde das Buch der alten Geschichte öffnen; würde euch von den schrecklichen Thaten unseres Geschlechtes erzählen. Ihr würdet ohne Zweifel tiefen Abscheu in eurer Seele empfinden, wenn ich euch sagte, welche Grausamkeiten Menschen gegen Menschen verübt haben; wenn ich euch zeigte, wie die Welt durch ihre Kriege ein Akeldama geworden und durch ihr Streiten und Morden mit Blut überschwemmt worden ist; wenn ich die schwarzen Laster nacheinander aufzählte, denen sich ganze Völker ergeben haben, oder euch nur den Lebenswandel einiger der ausgezeichnetsten Philosophen schilderte, müßte ich erröthen, von ihnen, zu sprechen, und ihr würdet euch von mir abwenden; ja, ihr würdet als gebildete Bewohner eines christlichen Landes es nicht aushalten, wenn ich der Verbrechen Erwähnung thun wollte, welche gerade die Menschen begangen haben, welche heutzutage als Muster der Vollkommenheit hingestellt werden.
Ich fürchte, wenn die volle Wahrheit geschrieben würde, würden wir die Lebensbeschreibungen der mächtigsten Helden und der stolzesten Weisen dieser Erde mit dem Wort auf die Seite legen: „Sie sind Alle abgewichen, und allesammt untüchtig geworden; da ist nicht, der Gutes thue, auch nicht Einer.“
Und sollte das nicht genügen, würde ich euch auf die Thorheiten der Heiden hinweisen; ich würde euch von ihren Priestern erzählen, durch welche ihre Seelen eine Beute des Aberglaubens geworden sind; ich würde ihre Götter herschleifen; ich würde euch zu Zeugen der schrecklichen Unzucht, der teuflischen Gebräuche machen, welche für diese betrogenen Menschen die heiligsten Dinge sind. Dann, nachdem ihr gehört hättet, was die natürliche Religion der Menschen ist, würde ich euch fragen, was seine Irreligion sein muß? Wenn das seine Andacht ist, was muß seine Gottlosigkeit sein? Wenn das seine feurige Liebe der Gottheit ist, was muß sein Haß derselben sein? Ihr würdet
sicherlich sogleich bekennen, wüßtet ihr, was die Menschen sind, daß die Anklage bewiesen ist, und daß die Welt ohne Vorbehalt und in Wahrheit ausrufen muß: „schuldig.“
Einen weiteren Beweisgrund möchte ich in der Thatsache finden, daß die besten Menschen stets bereit gewesen sind, ihre Verdorbenheit anzuerkennen. Die heiligsten Menschen, die reinsten Menschen haben sie immer am meisten gefühlt. Derjenige, dessen Kleider am weißesten sind, wird die Flecken daran am besten bemerken. Derjenige, dessen Krone am herrlichsten schimmert, weiß, wenn er einen Juwel verloren hat. Derjenige, der der Welt das meiste Licht gibt, wird stets im Stande sein, seine eigene Finsterniß zu ent- . decken. Die Engel Gottes verhüllen ihre Angesichter, und die Engel Gottes auf Erden, Seine Auserwählten, müssen stets ihre Angesichter in Demuth verhüllen, wenn sie bedenken, was sie einst waren. Höret den David; er gehörte nicht zu denen, die sich einer heiligen Natur und eines reinen Herzens rühmen. Er sagt: „Siehe, ich bin in der Schuld geboren, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen.“ Höret alle jene heiligen Männer, die in die Bibel geschrieben haben, und ihr werdet finden, daß sie alle bekennen, sie seien nicht rein, nein, nicht Einer; ja, Einer von ihnen rief aus: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes!“
Noch mehr: ich will einen weitern Zeugen für die Wahrheit dieser Thatsache auffordern: es soll euer Gewissen sein. Gewissen, du sollst mir diesen Morgen Rede stehen; ich will dich ausfragen! Gewissen antworte mir nach der Wahrheit! Laß dich durch das Laudanum der Sicherheit nicht einschläfern! Sprich die Wahrheit! Hast du das Herz nie sagen hören: „ich wünschte, es wäre kein Gott?“ Haben nicht alle Menschen zu Zeiten gewünscht, unsere Religion möchte nicht wahr sein? Obgleich sie ihre Seelen von dem Gedanken an die Gottheit nicht ganz losmachen konnten, haben sie nicht gewünscht, daß es keinen Gott gäbe? Wäre es ihnen nicht recht gewesen, wenn alle diese göttlichen Wahrheiten sich als Täuschung und Betrug erwiesen hätten? „Ja,“ bekennt jeder Mensch, „das ist mir zuweilen durch den Sinn gegangen. Ich habe gewünscht, mich meinen Lüsten ganz hingeben zu können; ich habe gewünscht, gesetz- und zügellos leben zu können; ich habe wie der Thor gewünscht, es möchte kein Gott sein.“ Jene Stelle in den Psalmen: „Die Thoren sprechen in ihrem Herzen: Es ist kein Gott,“ ist ungenau übersetzt. Wörtlich heißt es eigentlich: „Die Thoren sprechen in ihrem Herzen: Kein Gott.“ Der Thor spricht nicht in seinem Herzen: es ist kein Gott, denn er weiß, daß ein Gott ist; sondern er spricht: „Kein Gott – ich will keinen, ich wünsche, es
wäre keiner.“ Und wer unter uns ist nicht so thöricht gewesen, und hat nicht schon gewünscht, es möchte kein Gott sein? Jetzt, Gewissen, beantworte eine andere Frage: Du hast bekannt, du habest zu Zeiten gewünscht, es möchte kein Gott sein; nun wollen wir einmal annehmen, es wünsche ein Mensch eines andern Menschen Tod, würde das nicht beweisen, daß er ihn haßte? Ja, gewiß. Und so, meine Freunde, beweist der Wunsch, es möchte keinen Gott geben, daß wir Gott nicht lieben.
Wenn ich wünsche, der und der Mensch möchte todt sein und im Grabe faulen; wenn ich gerne
sähe, daß er ein Nichts wäre, muß ich diesen Menschen hassen, sonst würde ich keinen solchen
Mordgedanken hegen. So beweist also dieser Wunsch – und ich denke, es ist kein Mensch auf
Erden, der ihn nicht schon gehabt hat – er beweist, daß „fleischlich gesinnet sein eine Feindschaft wider Gott ist.“
Doch, Gewissen, ich habe eine andere Frage: Hat dein Herz nie gewünscht, da nun einmal ein Gott ist, Er möchte etwas weniger heilig, etwas weniger rein sein, so daß jene Dinge, welche jetzt große Verbrechen sind, als verzeihliche Fehler, als kleine Sünden betrachtet werden könnten? Hat dein Herz nie gesagt: „Wollte Gott, diese Sünden wären nicht verboten! Daß er doch barmherzig wäre und sie ohne Versöhnung überginge! Daß Er doch nicht so streng, so gar gerecht wäre, so eifrig über seinem Gesetz hielte.“ Hast du das nie gesagt, mein Herz. Das Gewissen muß antworten: „Ja.“ Nun, der Wunsch, daß Gott anders wäre, beweist, daß du den Gott, wie er jetzt ist, nicht liebst, den Gott des Himmels und der Erde; und ob du gleich von der Naturreligion reden und dich rühmen magst, du verstehest den Gott der grünen Felder, der grasigen Matten, der schwellenden Fluthen, des rollenden Donners, des blauen Himmels, der steingeschmückten Nächte und des großen Weltalls – obgleich du das poetische, schöne Ideal der Gottheit liebst, ist es doch nicht der Gott der Schrift, denn du wünschest ja, Seine Natur zu verändern, und beweisest dadurch, daß du Sein Feind bist.
Doch warum, Gewissen, sollte ich solche Umschweife machen? Du kannst es treulich bezeugen,
wenn du die Wahrheit sprechen wolltest, daß jeder meiner Zuhörer sich so an Gott versündigt, so beständig Sein Gesetz gebrochen, Seinen Sabbath entheiligt, Seine Rechte mit Füßen getreten, Sein Evangelium verachtet hat, daß es wahr, ja vollkommen wahr ist, daß „fleischlich gesinnet sein eine Feindschaft wider Gott ist.“

II.
Zweitens haben wir uns von der Allgemeinheit dieses Nebels zu überzeugen. Was für eine
weitgehende Behauptung ist das! Es ist nicht ein einzelnes fleischliches Gemüth oder eine gewisse Klasse von Personen, sondernder fleischliche Sinn. Es ist eine uneingeschränkte Behauptung, die jeden Menschen in sich schließt. Fleischlich gesinnt sind alle diejenigen, deren Fleisch nicht in den Geist erhoben worden ist, die durch die Macht des heiligen Geistes nicht geistlich gemacht worden sind, und diese Gesinnung wird „eine Feindschaft wider Gott“ genannt.
Dieses Uebel ist aber einmal insofern ein allgemeines, als es sich auf alle Menschen erstreckt. Jedes fleischliche Gemüth in der Welt ist feindselig gegen Gott gesinnt. Dieß schließt selbst die Kindlein an der Mutterbrust nicht aus. Wir nennen sie unschuldig, und sie sind es in wirklichen Sünden; doch wie der Dichter sagt: „Auch in der jüngsten Brust liegt schon ein Stein.“ In dem fleischlichen Sinn eines Kindleins ist Feindschaft wider Gott; sie ist nicht entwickelt; doch sie liegt darinnen. Einige sagen, die Kinder lernten die Sünde durch Nachahmung. Doch nein, nehmet ein Kind weg, gebt ihm die christlichsten Pfleger und Erzieher, lasset schon die Luft, die es einathmet, von Frömmigkeit gereinigt sein, und es beständig Heiligkeit wie Wasser trinken; lasset es nichts als die Stimme des Betens und Dankens hören, und heilige Musik stets in seinen Ohren tönen; und dieses Kind kann alles dessen ungeachtet eines der gröbsten Uebertreter werden; und ob es gleich, dem Anschein nach, auf den Himmelsweg gestellt ist, wird es, wenn ihm die göttliche Gnade nicht zu Hülfe kommt, zur Hölle hinabwandern. O, wie wahr ist es, daß Manche, die die besten Väter gehabt haben, die schlimmsten Söhne geworden sind; daß Viele, die von den heiligsten Müttern auferzogen worden sind, und täglich Zeugen ihres frommen Wandels waren, nichts desto weniger leichtsinnig und liederlich geworden sind! Das Kind ist also nicht aus Nachahmung, sondern von Natur böse.
Wenn du mir zugibst, daß das Kind fleischlich ist, so mußt du auch meinem Text glauben, wenn er sagt, daß „fleischlich gesinnet sein eine Feindschaft wider Gott ist.“ Ich habe gehört, daß das junge Krokodil, wenn es kaum aus dem Ei geschlüpft ist, sich sogleich in eine angreifende Stellung versetzt, und seinen Rachen öffnet, als ob es so angeleitet und unterrichtet worden wäre. Wir wissen, daß junge Löwen, wenn sie auch gezähmt worden sind, doch die wilde Natur ihrer Kameraden im Walde nicht verlieren, und, wenn man sie in Freiheit setzte, so grimmig rauben würden, als die andern.
So ist es mit dem Kinde: du magst es binden mit den grünen Weidenzweigen der Erziehung, du
magst Alles, was du willst, mit ihm anfangen; da du aber einmal sein Herz nicht ändern kannst, wird jener fleischliche Sinn Gott stets widerstreben; und ungeachtet des Verstandes, des Talentes und Alles, was du obendrein geben magst, wird es eben dieselben sündlichen Anlagen haben, wie jedes andere Kind, wenn sie auch nicht so zum Vorschein kommen; denn „fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott.“ Und wenn dieß auf Kinder seine Anwendung findet, schließt es ebenso alle Klassen von Menschen ein. Es werden einige Menschen als hohe Geister in die Welt geboren, die wie Riesen einhergehen, in Mantel des Lichts und des Ruhmes eingehüllt. Ich führe beispielsweise die Dichter an, Menschen, die wie Kolosse dastehen, mächtiger als wir, und von himmlischen Höhen herabzukommen scheinen. Es gibt Andere von scharfem Verstand, welche die Geheimnisse der Wissenschaft erforschen, und Dinge entdecken, die von der Welt an verborgen gewesen sind; gründliche Forscher, tüchtige Gelehrte; und doch von ihnen allen – Dichtern, Philosophen, Metaphysikern und großen Entdeckern – heißt es: Fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott.“ Ihr wöget einen Menschen erziehen, ihr möget seinen Verstand beinahe engelgleich machen, ihr möget seine Seele starken, bis er, was Räthsel für uns sind, nehmen und sie mit seinen
Fingern im Augenblick aufwickeln wird; ihr möget ihn so mächtig machen, daß er die eisernen
Geheimnisse der ewigen Hügel nehmen und sie zu Pulver in seiner Faust zerreiben kann, ihr möget ihm ein so scharfes Auge verleihen, daß er die Geheimnisse der Felsen und Berge durchdringen kann; ihr möget ihm solche Kraft verleihen, daß er die Riesin Sphinx erschlagen kann, die Jahrhunderte lang den größten Gelehrten zu schaffen gemacht hat; doch wenn ihr Alles gethan habt, wird seine Seele eine befleckte bleiben, und sein fleischliches Herz wird Gott immer widerstreben. Ja noch mehr, ihr möget ihn in das Haus Gottes bringen; das Wort soll ihm beständig klar und deutlich gepredigt werden; er soll die Lehre von der freien Gnade in aller ihrer Reinheit und von heiliger Salbung begleitet hören; wenn aber diese Salbung nicht auf ihm ruht, wird Alles vergeblich sein; er wird zwar regelmäßig erscheinen; doch gleich der Kirchenthüre, die sich nach Außen und nach Innen öffnet, wird er stets derselbe bleiben; seine Religion wird etwas Aeußerliches und Oberflächliches sein, und sein fleischliches Herz in Feindschaft wider Gott beharren. Nun ist dieß aber nicht meine Behauptung, sondern eine Erklärung des göttlichen Wortes, und ihr müßt sie stehen lassen, wenn ihr sie auch nicht glauben wollt; doch zanket euch nicht mit mir, es ist meines Meisters Botschaft, und sie ist wahr von einem Jeden unter euch – Männern, Weibern und Kindern und auch mir – daß, wenn wir nicht wiedergeboren und bekehrt worden find, wenn wir nicht eine Veränderung im Herzen erfahren haben, unser fleischlicher Sinn immer noch eine Feindschaft wider Gott hegt. Und dieses allgemeine Uebel ist etwas Fortlaufendes, Ununterbrochenes. Der fleischliche Sinn ist jederzeit eine Feindschaft wider Gott. „O,“ sagen Einige, „es mag wahr sein, daß wir zuweilen Gott widerstreben; doch sicherlich ist es nicht immer der Fall.“ Es gibt Augenblicke, spricht Einer, wo ich widerspenstig bin; manchmal führen mich meine Leidenschaften irre; doch
gewiß gibt es auch andere günstige Zeiten, wo ich wirklich Gottes Freund bin, und ihm die Opfer meiner Andacht bringe. Ich bin, fährt der letztere fort, auf der Spitze des Berges gestanden, bis meine Seele beim Anblick der Wunder unter mir erglühte, und mein Mund das Loblied sang:

„Herr! nicht verleugnest du dich in deinen Werten.
An jeglichem haftet  deines Fingers heilige Spur,
Und alle Thäler, Haine, Gebirge
bewahren deines Fußes Tritt,
wenn du feuerstrahlend zur Mitternacht
oder im Wintergewölk,
oder im holdaufdämmernden Frühling,
göttlich wandelnd,
deine Schöpfung besuchst.“
   
    Ja, aber merkt euch, was an einem Tag wahr ist, ist an einem andern nicht unwahr: „fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott“ zu allen Zeiten. Der Wolf mag schlafen, aber er ist doch ein Wolf. Die Schlange mit ihren himmelblauen Farben mag unter den Blumen schlummern, und das Kind mag ihren glatten Rücken streicheln; doch sie bleibt eben eine Schlange, sie verändert ihre Natur nicht, obgleich sie schläft. Das Meer ist das Haus der Stürme, wenn es auch so ruhig wie ein See ist; der Donner bleibt der mächtige, rollende Donner, wenn er auch so weit von uns weg ist, daß wir ihn nicht hören. Und das Herz, wenn wir auch dessen Aufwallungen nicht wahrnehmen, wenn es seine Lava nicht ausspeit, und die
heißen Steine seiner Verderbniß nicht auswirft, ist stets derselbe furchtbare Vulkan. Zu allen Zeiten, zu allen Stunden, in jedem Augenblick (ich rede dieses, wie Gott es redet), wenn ihr fleischlich seid, seid ihr allesammt Feinde Gottes. Noch einen Gedanken in Betreff der Allgemeinheit dieser Behauptung: Der ganze fleischliche Sinn ist eine Feindschaft wider Gott. Unser Text sagt; „Fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott,“ das heißt die fleischliche Gesinnung überhaupt, der ganze Mensch, alle Theile desselben, jede Kraft, jede Neigung. Man hat oft die Frage aufgeworfen, welcher Theil des Menschen durch den Sündenfall verletzt worden sei, welche Anlagen und Fähigkeiten gelitten hätten? Einige glauben, der Fall werde bloß in den Neigungen verspürt, erstrecke sich aber nicht auf die Verstandeskräfte; sie ziehen diesen Schluß aus der Weisheit des Menschen und den mächtigen Entdeckungen, die er gemacht hat, wie das Gesetz der Schwere, die Dampfmaschine und die Wissenschaften überhaupt. Nun halte ich aber dafür, daß das Alles nur ein ärmlicher Beweis für seine Weisheit ist, wenn wir es mit dem zusammenhalten, was uns schon das nächste Jahrhundert bringen mag, und was er hätte leisten können, wenn seine Verstandeskräfte sich noch im alten Zustand befänden. Ich glaube, daß der Fall den Menschen ganz zusammengedrückt hat; obgleich, als er lawinenähnlich über den mächtigen Tempel der
menschlichen Natur herstürzte, einige Säulen noch unzerstört gelassen wurden, und unter den
Ruinen findest du hie und da eine Hohlkehle, ein Fußgestell, ein Gesims, einen Pfeiler, die nicht völlig zerbrochen sind; doch der ganze Bau fiel, und seine herrlichsten Reliquien sind gefallene Reliquien, die in dem Staube liegen. Der ganze Mensch ist verunstaltet. Sehet unser Gedächtniß an; ist es nicht wahr, daß unser Gedächtniß gefallen ist? Ich kann das böse viel besser behalten, als das Gute. Ich höre ein unzüchtiges Lied, und diese höllische Musik wird mir in den Ohren sumsen, wenn ich schon graue Haare auf dem Kopfe habe. Ich höre einen heiligen Lobgesang, ach, er ist bald vergessen! Denn‘ das Gedächtniß hält mit eiserner Hand das Schlechte, was aber nach Frömmigkeit schmeckt nur mit schwachen Händen. Es läßt die herrlichen Balken aus dem Walde Libanon den Strom der Vergessenheit hinabschwimmen, fischt aber all‘ den Auswurf auf, der von der unreinen Stadt Sodom kommt. Es behält das Böse, es verliert das Gute. Das Gedächtniß ist gefallen. Dasselbe ist mit den Neigungen der Fall. Wir lieben alles Irdische mehr, als wir sollten; wir schenken unser Herz bald einem Geschöpf, doch sehr selten dem Schöpfer; und wenn wir unser Herz Jesu gegeben haben, wie gerne weicht es von Ihm ab! Sehet auch die Einbildungskraft an. O, wie kann die Einbildungskraft schwärmen, wenn der Körper in keinem gesunden Zustand ist. Gebet dem Menschen nur etwas, das ihn nahezu berauscht; gebet ihm Opium ein, wie wird da seine Einbildungskraft vor Freude tanzen! Gleich einem Vogel, der aus dem Käfig ist, wird sie mit mehr als Adlersflügeln aufsteigen! Er sieht Dinge, wovon er selbst in den Schatten der Nacht nicht geträumt hätte. Warum arbeitete seine Einbildungskraft nicht, als sein Körper im normalen Zustande sich befand – als er gesund war? Einfach deßwegen, weil sie verderbt ist; und ehe er in ein unreines Element eingetreten war – ehe der Körper in einer Art von Berauschung zu zittern angefangen hatte – wollte die Phantasie ihren Karneval nicht halten. Wir haben einige glänzende Proben davon, was die Menschen schreiben konnten, wenn sie unter dem verfluchten Einfluß geistiger Getränke standen. Es kommt dieß daher, weil die Seele so verderbt ist, daß sie liebt, was den Körper in einen abnormen Zustand versetzt; und hier haben wir einen Beweis, daß die Einbildungskraft selbst vom rechten Wege abgekommen ist. So ist es mit dem Urtheilsvermögen; ich konnte beweisen, wie schlecht es richtet. So könnte ich das Gewissen beschuldigen, und auch sagen, wie blind es ist, wie nachsichtig gegen die größten Thorheiten. Ich könnte alle unsere Geisteskräfte der Reihe nach mustern, und einer jeden auf die Stirne schreiben: “ Verrätherin am Himmel! Verrätherin an Gott! Der ganze fleischliche Sinn ist „eine Feindschaft wider Gott.“ Nun ist zwar, liebe Zuhörer, „die Bibel allein die Religion der Protestanten;“ doch so oft ich ein gewisses Buch finde, das bei unfern Brüdern in der bischöflichen Kirche, die ganz auf meiner Seite sind, in hohem Ansehen steht, macht es mir immer die größte Freude, Stellen daraus anzuführen. Wisset ihr, daß ich einer der besten Kirchenmänner in der Welt bin; der allerbeste, wenn ihr mich nach den neununddreißig Artikeln beurtheilet, und der allerschlimmste, wenn ihr einen andern Maßstab auf mich anlegt. Messet mich nach den Artikeln der englischen Kirche, und ich stehe Niemand im Predigen des Evangeliums, wie es darin enthalten ist, nach, denn wenn es einen vortrefflichen Auszug aus dem Evangelium gibt, findet man ihn in den Artikeln der englischen Kirche. Lasset mich euch zeigen, daß ihr keine ‚fremde Lehre gehört habt. Hier ist der neunte Artikel über die Erbsünde oder angeborene Sünde: „Die Erbsünde besteht nicht darin, daß wir dem Adam nachfolgen (wie die Pelagianer thöricht reden), sondern ist die Krankheit und Verderbniß der Natur eines jeden Menschen, die allen Nachkommen Adams angeerbt ist, wodurch der Mensch von seiner ursprünglichen Gerechtigkeit sich weit entfernt hat, und von seiner eigenen Natur zum Bösen geneigt ist, so daß das Fleisch beständig wider den Geist lüftet, und deßwegen verdient sie in jeder Person, die in diese Welt geboren wird, Gottes Zorn und Verdammniß. Und diese angeborene Verderbniß bleibt, selbst in den Wiedergeborenen; daher die Lust des Fleisches dem Gesetze Gottes nicht unterthan ist. Und obgleich nichts Verdammliches an denen ist, die glauben und getauft werden, bekennt doch der Apostel, daß Begierde und Lust an sich schon etwas Sündliches ist.“ Ich will Nichts weiter. Wird Jemand, der dem kirchlichen Gebetbuch Glauben schenkt, der Lehrem widersprechen, daß „fleischlich gesinnet sein eine Feindschaft wider Gott ist?“ III.
III.
Ich habe gesagt, ich wolle drittens versuchen, euch die Abscheulichkeit dieser Schuld zu zeigen. Ich fürchte, meine Brüder, daß sehr oft, wenn wir unfern Zustand betrachten, wir nicht so sehr an die Schuld, als an das Elend denken. Ich habe zuweilen Predigten über die Neigung des Sünders zum Bösen gelesen, worin dieß sehr kräftig dargethan worden ist, und gewiß ist der Stolz der menschlichen Natur mit Recht beschämt und gedemüthigt worden; doch Eines wird dabei gewöhnlich außer Acht gelassen, und es scheint mir dieß ein sehr großer Fehler zu sein, – die Lehre nämlich, daß der Mensch in allen diesen Dingen schuldig ist. Wenn sein Herz wider Gott ist, sollten wir ihm sagen, dieß sei seine Sünde; und wenn er nicht Buße thun kann, sollten wir ihm zeigen, daß seine Sünde allein daran schuld ist – daß alle seine Entfremdung von Gott Sünde ist – daß er sündigt, so lang als er Gott den Rücken kehrt. Ich fürchte, viele unter uns müssen hier anerkennen, daß wir uns von dieser Sünde nicht recht im Gewissen überzeugen lassen. Ja, sagen wir, wir haben viele Fehleren uns. O ja, doch bleiben wir dabei ganz ruhig. Liebe Brüder, es sollte nicht so sein. Daß wir diese Fehler an uns haben, ist unsere Schuld, die als ein abscheuliches Nebel bekannt werden sollte; und wenn ich als ein Diener des Evangeliums euch das Sündliche der Sache nicht ernstlich zu Gemüthe führe, so habe ich das tödtliche Gift gar nicht berührt. Ich habe gerade die Hauptsache weggelassen, wenn ich euch nicht gezeigt habe, daß es ein Verbrechen ist. Nun ist „fleischlich gesinnet sein eine Feindschaft wider Gott.“ Was für eine Sünde ist es? Dieß wird auf zweifache Art erscheinen: Betrachtet das Verhältniß, in welchem wir zu Gott stehen, und dann bedenket, was Gott ist; und nachdem ich von diesen zwei Dingen gesprochen haben werde, hoffe ich, ihr werdet
erkennen, daß es Sünde ist, eine Feindschaft wider Gott zu haben. In welchem Verhältniß stehen wir zu Gott? Er ist der Schöpfer Himmels und der Erde; Er hält die Grundfesten des Weltalls; Sein Odem erfüllt die Blumen mit Wohlgeruch; Sein Pinsel mahlt sie; Er ist der Urheber dieser schonen Schöpfung; „wir sind Schafe seiner Waide; Er hat uns gemacht, und nicht wir selbst.“ Er steht zu uns in dem Verhältniß eines Vaters und Schöpfers, und als solcher will er unser König sein. Er ist unser Gesetzgeber, und, um unsere Schuld noch größer zu machen, ist Er auch unser Versorger, denn Er ernährt uns von Tag zu Tag. Er gibt uns, was wir bedürfen; Er erhält den Odem in unserer Nase; Er gebietet dem Blut, seinen Lauf durch die Adern zu verfolgen; Er erhält uns am Leben; und behütet uns vor dem Tode; Er steht vor uns als unser Schöpfer, unser König, unser Versorger, unser Wohlthäter; und ich frage: ist es nicht eine Sünde von ungeheurer Größe – ist es nicht Hochverrat!) an dem Herrn des Himmels – ist es nicht eine schreckliche Sünde, deren Tiefe wir mit der ganzen Scharfe unseres Urtheils nicht ergründen können, daß wir, Seine Geschöpfe, die von ihm abhängig sind, Gottes Feinde sein sollten? Doch das Verbrechen erscheint noch schlimmer, wenn wir bedenken, was Gott ist. Lasset mich persönlich und fragweise mit euch sprechen, denn eine solche Form der Rede ist nachdrucksvoller. Sünder! warum bist du Gottes Feind? Gott ist der Gott der Liebe; Er ist Allen gütig; Er blickt huldreich auf dich herab, denn heute wieder bescheint dich Seine Sonne, heute hast du Nahrung und Kleidung und du bist gesund und wohl, hierher gekommen!
Hassest du Gott, weil Er dich liebt? Ist das der Grund? Erwäge, wie viele Wohlthaten du von Seiner milden Güte lebenslang hast dahinnehmen dürfen! Du bist nicht als Krüppel geboren; du hast dich einer guten oder doch wenigstens leidlichen Gesundheit zu erfreuen; du bist von mancher Krankheit erstanden; als du an den Thoren des Todes lagest, hat Sein Arm deine Seele vor dem letzten Schritt zum Untergang bewahrt. Hassest du Gott um alles dessen willen? Hassest du Ihn, weil Seine herzliche Barmherzigkeit dein Leben bis jetzt gefristet hat? Siehe Seine Güte, die Er vor dir bereitet hat! Er könnte dich zur Hölle gestoßen haben, doch du bist hier. Hassest du nun Gott, weil Er dich verschont hat? O, warum hegst du eine Feindschaft wider Ihn? Mein Mitbruder weißt du nicht, daß Gott Seinen Sohn aus Seinem Schooße gesendet hat, Ihn an das Kreuz hangen und da für Sünder sterben ließ, den Gerechten für die Ungerechten? Solltest du deßwegen Gott hassen? O Sünder, ist dieß der Grund deiner Feindschaft? Und wenn Er dich mit Gnaden umgibt, dich mit Barmherzigkeit umgürtet, dich mit Freundlichkeit umfängt, hassest du Ihn deßwegen? Er könnte sagen, wie Jesus zu den Juden sagte: „Um welches unter diesen Werken steiniget ihr mich?“ Um welches unter diesen Werken hassest du Gott? Wenn ein irdischer Wohlthäter dich nährete, würdest du ihn hassen?
Wenn er dich kleidete, würdest du ihn in’s Angesicht segnen? Wenn er dir Talente verliehe, würdest du diese Kräfte gegen ihn kehren? O, sprich! würdest du das Eisen schmieden, und den Dolch in das Herz deines besten Freundes stoßen? Hassest du deine Mutter, an deren Brüsten du gesäugest wurdest? Fluchst du deinem Vater, der so sorgsam dich überwacht hat? Nein, saget ihr, wir wissen wohl, was wir unsern irdischen Verwandten schuldig sind. Wo sind denn eure Herzen? Wo sind eure Herzen, daß ihr Gott immer noch verachten und Seine Feinde sein könnet? O teuflisches Verbrechen! O satanische Abscheulichkeit! O eine Missethat, die wir mit Worten gar nicht aussprechen können! Den Allliebenden hassen – den Gütigsten verachten – den allzeit Barmherzigen verabscheuen – den größten Wohlthäter verschmähen – den Freundlichen, den Gnädigen höhnen; vor Allem aber den Gott zu hassen, der Seinen Sohn sandte, um für die Menschen zu sterben! Ach, der Gedanke: „fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott,“ hat etwas Grauenerregendes in sich, denn es ist eine furchtbare Sünde, Gottes Feind zu sein. Ich wünschte, ich könnte eindringlicher reden, doch mein Meister allein kann von dem ungeheuren Uebel dieses schrecklichen Herzenszustandes euch recht überzeugen.

 

IV.
Doch nun wollen wir versuchen, eine oder zwei Lehren hiervon abzuleiten. Wenn der fleischliche Sinn „eine Feindschaft wider Gott ist,“ können wir nicht aus Verdienst sondern nur aus Gnaden selig werden. Wenn wir Gottes Feinde sind, welches Verdienst können wir haben? Wie können wir einen Anspruch an das Wesen machen, das wir hassen? Selbst wenn wir rein wären, wie Adam war könnten wir kein Verdienst haben, denn ich denke nicht, daß Adam sich vor seinem Schöpfer seiner Vorzüge rühmen konnte. Wenn er das ganze Gesetz seines Herrn gehalten hatte, war er nur ein unnützer Knecht; er hatte nur gethan, was er zu thun schuldig war; er hatte keinen Ueberschuß – keine überflüssigen guten Werke. Doch da wir einmal Feinde geworden sind, um wie viel weniger können wir hoffen, durch die Werke selig zu werden! O nein; die ganze Bibel sagt uns von Anfang bis zu Ende, daß die Seligkeit nicht kommt ans den Werken des Gesetzes, sondern eine That der Gnade ist. Martin Luther erklärte: er predige beständig die Rechtfertigung allein durch den Glauben, „weil,“ sagte er, „die Menschen es vergessen würden, so daß ich beinahe genöthigt war, ihnen meine Bibel an den Kopf zu schlagen, damit sie es zu Herzen faßten.“ So wahr ist es, daß wir beständig vergessen, wie wir nur aus Gnaden selig werden können. Wir möchten immer einige Fetzen unserer eigenen Tugend dazu thun; wir möchten selbst etwas dazu beitragen. Ich erinnere mich, was ein alter frommer Mann sagte: „Durch eure Werke selig werden? Ihr könntet ebenso gut
versuchen, in einem papierenen Schiff nach Amerika zu gehen!“ Durch eure Werke selig werden? Es ist unmöglich! O nein; der arme Gesetzesmensch ist gleich einem blinden Pferde, das in der Mühle beständig im Kreise herumläuft; er hat keine gewisse Zuversicht, keinen festen Grund,m worauf er ruhen könnte. Er hat nicht genug gethan – „nie genug gethan.“ Das Gewissen sagt immer:
„Dieß ist keine Vollkommenheit; es sollte besser sein.“ Feinde müssen durch einen Gesandten – durch eine Versöhnung – ja durch Christum Seligkeit erlangen. Eine andere Lehre, die wir hieraus ziehen, ist eine Notwendigkeit einer gänzlichen Erneuerung unserer Natur. Es ist wahr, daß wir durch unsere Geburt Feinde Gottes sind. Wie nothwendig ist es also, daß unsere Natur erneuert wird! Wenige Leute glauben das. Sie wähnen, daß wenn sie auf dem Todbett rufen: „Herr, erbarme dich mein!“ sie stracks in den Himmel gehen dürfen. Lasset mich für einen Augenblick etwas Unmögliches annehmen. Denket euch einen Menschen, der, ohne daß sein Herz erneuert worden wäre, in den Himmel einträte. Der Pforte Flügel haben sich vor ihm aufgethan. Er hort ein Lied: er fährt zusammen; es ist zum Lobe seines Feindes. Er sieht einen Thron, eine herrliche Gestalt sitzt darauf; doch es ist sein Feind. Er durchwandert die goldenen Gassen; doch sie gehören seinem Feinde. Er sieht Schaaren von Engeln, doch jene Schaaren sind die Knechte seines Feindes. Er ist in seines Feindes Haus, denn er hat eine Feindschaft wider Gott. Er könnte nicht in das Lied
einstimmen, denn er wußte die Melodie nicht. Da würde er stehen, still, bewegungslos, bis Christus mit einer Stimme, lauter als zehntausend Donner, sagen würde: „Was machst du hier? Feinde bei einem Hochzeitmahl? Feinde in der Kinder Haus? Feinde im Himmel? Geh‘ fort von hier! Weichet, ihr Verfluchten, in das ewige, höllische Feuer!“ O Freunde, wenn ein Unwiedergeborener in den Himmel kommen könnte, ich wiederhole noch einmal, was Whitfield so oft gesagt hat, er würde so unglücklich darinnen sein, daß er Gott bitten würde, ihm doch die Hölle als einen Zufluchtsort anzuweisen. Wenn wir in den Himmel wollen, muß unsere Natur erneuert werden, denn wie können Feinde Gottes sich am Tische des Lammes niederlassen?
Zum Schluß möchte ich euch noch erinnern – und es geht im Grund schon aus dem Texte hervor – daß diese Veränderung durch eine Kraft bewirkt werden muß, die über eure eigene hinausgeht. Ein Feind kann sich möglicherweise in einen Freund verwandeln, doch Feindschaft kann es nicht. Wenn ein Feind zu sein nur eine Zugabe seiner Natur ist, kann er ein Freund werden; doch wenn sein ganzes Wesen Feindschaft, entschiedene Feindschaft ist, kann sich diese nicht in Freundschaft verwandeln. Nein, es muß etwas mehr geschehen, als wir vollbringen können. Das wird gerade in unsern Tagen vergessen, es muß mehr von dem heiligen Geiste gepredigt werden, wenn mehr Bekehrungen stattfinden sollen. Ich sage euch, ihr Lieben, wenn ihr euch selbst bekehren, und besser, und besser, und besser, und tausendmal besser werden wollet, werdet ihr nie gut genug für den Himmel werden. Ehe Gottes Geist Seine Hand euch aufgelegt, ehe Er das Herz erneuert, ehe Er die Seele gereinigt, ehe Er den ganzen Sinn verändert und den Menschen neu geschaffen hat, ist der Eingang in den Himmel unmöglich. Wie ernst sollte also ein Jeder dastehen und bei sich selbst denken: „Hier bin ich ein vergängliches Geschöpf, ein Mensch, bestimmt zu sterben, und doch unsterblich! Jetzt bin ich Gottes Feind. Was soll ich thun? Ist es nicht ebenso gut meine Pflicht, als mein Glück, nach einem Wege zu fragen, auf welchem ich mit Gott versöhnt werden kann?
O, ihr müden Sclaven der Sünde, sind nicht eure Wege Pfade der Thorheit? Ist es Weisheit, meine Lieben, ist es Weisheit, euren Schöpfer zu hassen? Ist es Weisheit, euch wider Ihn zu erheben? Ist es klug, den Reichthum Seiner Gnade zu verachten? Wenn es Weisheit ist, so ist es die Weisheit der Hölle; wenn es Weisheit ist, so ist es eine Weisheit, die vor Gott Thorheit ist. O, möge Gott euch Gnade schenken, daß ihr euch zu Jesu von ganzem Herzen kehret. Er ist der Gesandte; Er ist es, der durch Sein Blut Friede machen kann; und ob ihr gleich als Feinde hierher, gekommen seid, könnet ihr als Freunde dieses Haus verlassen, wenn ihr nur zu Jesu Christo aufschauen wollet, der ehernen Schlange, die erhöhet wurde.
Es ist nun möglich, daß einige unter euch durch den heiligen Geist von der Sünde überzeugt worden sind. Ich will euch jetzt den Weg der Seligkeit versündigen. „Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschen Sohn erhöhet werden, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Siehe, o zitternder Sünder, das Mittel zu deiner Erlösung. Richte dein thränendes Auge auf den Berg Golgatha! Schau das geschlachtete Lamm an – das Sühnopfer für deine Uebertretung. Sieh‘ den Heiland in Seinem Todeskampf, wie er mit Strömen von Blut deine Seele erkauft, und mit den heißesten Qualen deine Strafe erduldet. Er starb für dich, wenn du jetzt deine Schuld bekennst. O komm, du Verdammter, der du dich selbst anklagst, und wende dein Auge dorthin, denn Ein Blick wird dich selig machen. Sünder! Du bist gebissen worden; doch darfst du nur aufblicken, nur aufblicken. Wenn du nur zu Jesu aufblicken kannst, bist du geborgen. Höre die Stimme des Erlösers: „Schauet auf zu mir, und werdet selig.“ Blicket auf, blicket auf, blicket auf! o schuldige Seelen.

„Wagt’s auf Jesum, wagt’s auf Jesum,
Traut sonst Niemand in der Welt;
Er alleine, Er alleine
Ist’s, der Bund und Glauben hält;
Er führt auf der schmalen Bahn
Sünder sicher himmelan.“

Möge mein hochgelobter Meister euch helfen, zu Ihm zu kommen, und euch zu Seinem Sohne
ziehen, um Jesu willen. Amen.